Vergeltung gegen Iran: Biden: Angriffe sind nur der Anfang

Die USA haben in Syrien, Irak und im Jemen etliche Ziele attackiert. Es war die heftigste US-Angriffswelle in der Region seit Beginn des Gazakriegs.

US-Präsident Joe Biden.

Sein Versuch, wieder das Zepter zu übernehmen: US-Präsident Biden behält sich weitere Luftangriffe vor Foto: ap photo/Alex Brandon

BERLIN taz | Der amerikanische Präsident Joe Biden will die US-Luftangriffe in mehreren arabischen Ländern vom Wochenende nur als Beginn verstanden wissen. Zu Zeitpunkten und an Orten ihrer Wahl würden die Amerikaner weiter zuschlagen, kündigte der US-Präsident an. Es war der offensichtliche Versuch, das Zepter wieder selbst in die Hand zu nehmen und sich nicht vom iranischen Regime und seinen Verbündeten in der Region vorführen zu lassen.

An etlichen Orten flog die US-Luftwaffe am Wochenende in ihrer bislang am weitesten gehenden Angriffswelle seit Beginn des Gazakriegs im Oktober Attacken. Bei den Luftschlägen in Irak, Syrien und Jemen wurden nach Angaben von vor Ort insgesamt mindestens 34 Menschen getötet. Nach Angaben der syrischen und irakischen Regierungen wurden auch Zi­vi­lis­t*in­nen getötet.

Im Jemen zerstörte das US-Militär am Sonntag einen Anti-Schiffs-Marschflugkörper, der laut eigenen Angaben „auf den Einsatz gegen Schiffe im Roten Meer vorbereitet war“. Am Vortag hatten britische und amerikanische Kampfjets 36 Ziele an 13 verschiedenen Orten angegriffen. Nach Huthi-Angaben wurden auch Ziele in der Hauptstadt Sanaa getroffen.

Während die US-Angriffe im Jemen nicht neu sind – die USA und Großbritannien hatten im Januar mehrmals Huthi-Stellungen angegriffen –, zeugen die US-Schläge in Syrien und Irak von einer neuen Qualität. Die USA wollen sie als Antwort auf einen Angriff auf die US-Stellung Tower 22 in Jordanien am letzten Januar-Wochenende verstanden wissen. Die USA sehen den mit Iran verbündeten irakischen Milizverband „Islamischer Widerstand im Irak“ hinter dem Drohnenangriff und machten das iranische Regime dafür verantwortlich. Bei dem Angriff waren drei US-Soldaten getötet worden – und damit eine „rote Linie“ überschritten, wie Be­ob­ach­te­r*in­nen anmerkten. Dass ein US-Vergeltungsschlag kommen würde, war deshalb erwartet worden.

Am Freitag wurden die Leichname der drei getöteten Soldaten in die USA überführt. Auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Dover im Bundesstaat Delaware erwies Biden ihnen die letzte Ehre. Danach ging es schnell: Keine zwei Stunden später beschossen US-Kampfjets 30 Minuten lang mehr als 85 Ziele an insgesamt sieben Standorten in Irak und Syrien. Getroffen wurden nach US-Angaben Kommandozentralen, Geheimdienststandorte und Waffenlager, die von den iranischen Revolutionsgarden und proiranischen Milizen genutzt worden sein sollen. Iranische Staatsbürger oder gar hochrangige Mitglieder der Revolutionsgarden wurden offenbar nicht getötet. Auch vermieden die USA, Ziele innerhalb Irans anzugreifen. Biden hatten in den vergangenen Tagen betont, dass er keinen Krieg mit Iran wolle.

Iran warf USA „strategische Fehlkalkulation“ vor

Die Regierungen in Bagdad und Damaskus verurteilten die US-Angriffe ebenso wie die Führung in Teheran. Letztere sprach von einer „strategischen Fehlkalkulation“ der USA. Das eigentliche Ziel sei es, mit solchen Angriffen der israelischen Regierung in ihrem Krieg in Gaza eine „Verschnaufpause“ zu verschaffen, teilte ein Sprecher des iranischen Außenministeriums mit. Die irakische Regierung teilte mit, die US-Angriffe verletzten die irakische Souveränität und würden die Sicherheit in der gesamten Region gefährden. Bagdad dementierte zudem, dass die Militärschläge zwischen den USA und dem Irak vorab abgesprochen gewesen seien.

Iraks Regierung unter Ministerpräsident Mohammed Shia’ al-Sudani sitzt im Großkonflikt zwischen den USA und Iran zwischen den Stühlen. Einerseits ist sie auf die USA angewiesen, die – auf Einladung Bagdads – weiterhin rund 2.500 Sol­da­t*in­nen in dem Land stationiert haben. Washington führt eine internationale Militärkoalition gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) an. Andererseits hat das iranische Regime seinen Einfluss in dem Land seit dem Irak­krieg 2003 und verstärkt seit dem Kampf gegen den IS gezielt ausgebaut. Proiranische Milizen sind heute nicht nur in die irakischen Streitkräfte integriert, sondern üben über ihre politischen Flügel auch maßgeblich politischen Einfluss aus. Aus dem proiranischen Lager wird ein sofortiger Abzug der US-Truppen aus dem Irak gefordert.

Die Angriffe der Vereinigten Staaten vom Wochenende sollen am Montag Thema im UN-Sicherheitsrat in New York sein. Das Gremium werde sich auf Antrag Russlands in einer Dringlichkeitssitzung mit den Entwicklungen beschäftigen, hieß es. Unterdessen ist US-Außenminister Antony Blinken erneut in die Region gereist. Er wird die kommenden Tage in Saudi-Arabien, Ägypten, Katar, Israel sowie im Westjordanland erwartet.

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