Antisemitischer Überfall auf FU-Student: Deutsche Ignoranz bei Judenhass

Ein jüdischer Student wird in Berlin verprügelt. Die Reaktion der Universitätsleitung darauf ist emblematisch für den Umgang mit Antisemitismus.

Der Schriftzug "Nie wieder ist jetzt!" auf dem Brandenburger Tor

Das Brandenburger Tor in Berlin am 85. Jahrestag der Pogromnacht Foto: Jörg Carstensen/dpa

Ach, so eine Universitätsleitung hat es schon schwer. Da prügelt ein Berliner Student einen Kommilitonen krankenhausreif, weil der Jude ist und auf das Schicksal der Hamas-Geiseln aufmerksam gemacht hat. Dafür möge der Schläger von der Uni fliegen, verlangt daraufhin Josef Schuster vom Zentralrat der Juden in Deutschland.

Aber, ach, da steht das Berliner Hochschulrecht dagegen. Maximal und möglicherweise könne man ein Hausverbot gegen den „mutmaßlich antisemitisch motivierten“ Angreifer verhängen, heißt es. Das allerdings gelte für höchstens drei Monate. Und dann?

Die Ausflüchte der Freien (!) Universität Berlin sind typisch dafür, wie in diesem Land mit notorischen Antisemiten umgegangen wird. Prinzipiell und überhaupt gilt der seit Monaten weit verbreitete Judenhass als ekelig und pfuibäh. Nur allzu gerne werden weihevolle Appelle abgelassen, die darauf hinweisen, dass so etwas ganz unschicklich sei, schon gar angesichts der eigenen unangenehmen Nazivergangenheit.

Wenn es aber konkret wird, wenn Juden in Deutschland geschlagen, bedroht und eingeschüchtert werden, wenn Judenhass öffentlich verbreitet wird, dann sind die Reaktionen verdruckst. Schließlich ist das Verteilen von Süßigkeiten anlässlich eines Massakers nicht strafbar. Schließlich haben Beamte noch viele andere wichtige Aufgaben zu bewältigen, als nur den Judenhass zu verfolgen. Schließlich kann auch eine Uni-Leitung nicht jedem Vorfall akribisch nachgehen. Immerhin geht die Polizei nach Jahren der Toleranz endlich gegen antisemitische Äußerungen auf propalästinensischen Demonstrationen vor.

Aufgabe der Studierenden

Empathie gegenüber Jüdinnen und Juden ist so selten wie ein Plakat für die Geiseln, das nicht nach kürzester Zeit abgerissen wird

Die Ignoranz gegenüber jüdischem Leid ist freilich kein staatliches oder universitäres Phänomen, sondern gilt ebenso für das gemeine Volk und die Studierenden. Hunderttausende Menschen gehen in diesen Tagen gegen Rechtsextremismus auf die Straße.

Das ist sehr gut so! Aber zu Kundgebungen gegen Judenhass und Hamas-Terror kommen nur kleine Häufchen an Menschen zusammen, und es sind immer dieselben. Es scheint, als glaube die große Mehrheit, so etwas gehe sie überhaupt nichts an. Empathie gegenüber Jüdinnen und Juden ist so selten wie ein Plakat für die Geiseln von Gaza, das nicht nach kürzester Zeit abgerissen wird.

Auch von Demonstrationen an der FU Berlin nach dem antisemitischen Vorfall ist bisher nichts bekannt – und es war nicht das erste Ereignis dieser Art in den letzten Wochen an dieser Uni. Dabei wäre es an den Studierenden, dafür zu sorgen, nicht mit judenfeindlichen Schlägern in einem Hörsaal sitzen zu müssen.

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Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

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