Nachfahren von NS-Widerstandskämpfern: „Aus der Geschichte lernen“

Kinder und Enkel von NS-Widerstandskämpfern wenden sich an die deutsche Bevölkerung. Sie warnen vor der AfD und rechtsextremen Tendenzen.

Kind auf der Demonstration gegen Rechtsextremismus trägt ein Schild: Der Widerstand wächst

Aus der Geschichte lernen: Protest gegen Rechtsextremismus in Berlin am 3. Februar 2024 Foto: Jens Jeske

BERLIN taz | Mehr als 270 Nachkommen von Widerstandskämpfern gegen das NS-Regime rufen in einem eindringlichen Appell für eine Stärkung der Demokratie auf. Das in der Nacht zum Dienstag veröffentlichte Schreiben mit dem Titel „Aus der Geschichte lernen, die Demokratie stärken“ wendet sich gegen „Populisten und Feinde der Demokratie“. „Es waren unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, die sich dem NS-Unrecht als Widerstandskämpfer entgegengestellt haben“, heißt es darin.

Man fordere „alle Mitbürger dazu auf, der Neuen Rechten in unserem Land und europaweit die Stirn zu bieten“. Anstoß zu dem Aufruf seien die Pläne für eine Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund aus dem Land bei einem Treffen von Rechtsradikalen und Konservativen in Potsdam gewesen, sagte die Mitinitiatorin Gemma Pörzgen der taz. Sie fürchte, eine Entwicklung ähnlich wie zu Beginn der 1930er Jahre komme in Gang.

Schon lange wehren sich Nachfahren der Widerstandskämpfer dagegen, dass die AfD versuche, den NS-Widerstandsbegriff zu „kapern“, sagte Pörzgen. „Wir haben mit diesen Leuten nichts zu tun“, bekräftigte die Journalistin.

Pörzgen ist die Enkelin von Heinrich Körner, der als überzeugter Katholik im „rheinischen Kreis“ gegen die Nazis aktiv war. Der Kreis der Unterzeichnenden geht weit über die Nachfahren des militärischen Widerstands hinaus und umfasst auch Personen, deren Familien im christlichen oder linken Widerstand tätig waren, wie Jona Bonhoeffer oder Hans Coppi.

Nicht nur Helden

Andererseits sind an dem Aufruf auch Nachfahren von Heinrich von Stülpnagel beteiligt, der zum Kreis der Hitler-Attentäter des 20. Juli 1944 zählte, als General an der Ostfront aber Mitverantwortung für den Holocaust trug.

Der Aufruf vermeidet eine Gleichsetzung von rechtsradikalen Tendenzen und der AfD heute mit dem NS-Regime oder der NSDAP in den 1930er und 1940er Jahren, weist aber dennoch auf gewisse Parallelen hin.

„Die meisten Menschen in unserem Land haben aus der Katastrophe der NS-Diktatur gelernt“, heißt es. Aber: „Wenn selbst Bundestagsabgeordnete von millionenfacher „Remigration“ sprechen, wenn rechtsextreme Parteien in mehreren Bundesländern die Umfragen anführen und demokratische Parteien hilflos zwischen Anbiederung, abgrenzender Arroganz und Verbotsfantasien schwanken, dann müssen bei allen Anhängern der offenen Gesellschaft die Alarmglocken schrillen.“ Die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus seien ein „ermutigendes Zeichen“.

Man wende sich mit dem Aufruf vor allem „an die Leute, die auf die Straße gehen“, sagte Pörzgen, die in einem Angehörigenkreis aktiv ist. Noch wichtiger als zu demonstrieren, so heißt es in dem Aufruf, sei es, „wählen zu gehen“. Der Text endet mit einem Appell: „Lasst uns aus der Geschichte lernen und die Demokratie stärken!“

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