Hoffnung auf neuen Nahost-Deal: Alle Geiseln gegen zwei Monate Ruhe?

In Paris beraten Unterhändler über einen umfassenden Deal zwischen Israel und der Hamas. Noch gibt es laut israelischen Medien aber Differenzen.

Angehörige der Geiseln sprechen auf einer Pressekonferenz

Angehörige appellieren am 17. Januar bei einer Pressekonferenz in Washington für Unterstützung der USA zur Befreiung der Geiseln Foto: Anna Rose Layden/rtr

BERLIN taz | Das Who's who der Geiseldiplomatie wurde am Sonntag in Paris erwartet, um die vor mehr als 100 Tagen verschleppten Israelis aus dem Gazastreifen freizubekommen und das flächendeckende israelische Bombardement vorerst zu beenden. Bei den Pariser Gesprächen geht es Medienberichten zufolge um einen Deal, der Folgendes vorsieht: In einer ersten 30-tägigen Phase sollen die Kämpfe eingestellt werden. Die Terrororganisation Hamas lässt im Gegenzug alle weiblichen, älteren sowie verwundeten Geiseln frei. Offen blieb, wie viele palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen freigelassen werden sollen.

In dem Zeitraum sollen Israel und die Hamas Einzelheiten für eine weitere einmonatige Phase ausarbeiten, in der dann auch verschleppte israelische Sol­da­t*in­nen und männliche Zivilisten freigelassen werden. Auch soll Israel mehr humanitäre Hilfe in den Gaza­streifen lassen. Die Hilfslieferungen in das Gebiet gehen äußerst langsam voran, obwohl UN-Angaben zufolge 85 Prozent der Bevölkerung innerhalb Gazas vertrieben worden sind und internationale Hilfsorganisationen vor einer Hungersnot warnen.

Der mögliche Deal sieht die Freilassung aller Geiseln vor. Was er nicht beinhaltet, ist eine Vereinbarung über ein Ende des Krieges. Israel könnte die Angriffe nach zwei Monaten wieder voll aufnehmen, um das erklärte Ziel einer vollständigen Zerstörung der Hamas zu erreichen.

Zu den Gesprächen in Paris wurde der Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, William Burns, sein israelischer Amtskollege David Barnea vom Mossad, der katarische Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman Al Thani sowie der ägyptische Geheimdienstchef Abbas Kamel erwartet. Die New York Times hatte am Samstag über die sich abzeichnende Vereinbarung berichtet.

Sollte sie tatsächlich zustande kommen, wäre es die zweite umfassende Vereinbarung zwischen den Kriegsparteien. Im November waren während einer siebentägigen Feuerpause mehr als 100 israelische Geiseln freigekommen. 104 Geiseln befinden sich nach israelischen Angaben weiter in der Gewalt der Hamas, darunter auch einige deutsche Staatsbürger*innen. 28 weitere sollen tot sein.

Druck auf Netanjahu steigt

In Israel ist zuletzt der Druck auf Regierungschef Benjamin Netanjahu gestiegen, die Befreiung der Geiseln zu priorisieren, statt den Krieg in unverminderter Härte weiterzuführen. Am Samstagabend protestierten erneut tausende Menschen in Tel Aviv und forderten den Rücktritt Netanjahus. „Die gescheiterte Regierung macht weiter, als wäre nichts geschehen“, sagte einer der Redner Berichten zufolge auf der Kundgebung.

Die Hoffnung, dass das Paris-Treffen bereits zu einer Übereinkunft zwischen Israel und der Hamas führt, minderten israelische Medien am Sonntag allerdings. Demnach fordert die Hamas, dass Israel den Krieg gänzlich beendet und sie an der Macht bleibt. Dies offiziell zu erklären, käme für die Netanjahu-Regierung dem Eingeständnis einer Niederlage gleich.

Agnes Callamard, Amnesty International

„Eine rücksichtslose Militärkampagne zur Dezimierung der Bevölkerung“

Bei den anhaltenden Kämpfen in Gaza sind nach palästinensischen Angaben mehr als 26.000 Menschen getötet worden. Nach israelischen Angaben handelt es sich bei rund einem Drittel davon um Hamas-Kämpfer. Beide Zahlen wurden nicht unabhängig überprüft.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag hat am Freitag mehr Hilfe für die Menschen im Gazastreifen gefordert. Israel müsse zudem alles tun, damit es nicht zu einem „Völkermord“ komme. Ein Ende des Krieges forderte das Gericht nicht. Netanjahu brachte „Israels Respekt für das internationale Recht“ zum Ausdruck, nannte die Völkermord-Anschuldigungen aber „empörend“.

Südafrika, das die Klage eingereicht hatte, nannte die Entscheidung „einen entscheidenden Sieg für die internationale Rechtsstaatlichkeit“. Agnès Callamard von Amnesty International sagte, das vorläufige Urteil zeige, dass die Welt nicht schweigend zusehen wird, wenn Israel eine rücksichtslose Militärkampagne zur Dezimierung der Bevölkerung Gazas führt.

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