Rechtsextreme, Antisemitismus, SUVs: Demokratie heißt halbleeres Glas

Die Rechtsextremen tummeln sich im Fernsehen, in Landes- und in Jugendverbänden. Demokraten reagieren stumpf – aber richtig.

Ein Demonstrant hält ein Plakat mit der Aufschrift "EkelhAfD" in die Höhe

Demo gegen Rechtsextremismus unter dem Motto „Wir sind die Brandmauer“ am 3. Februar Foto: Virginia Garfunkel/imago

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Haltlose Gerüchte, Michelle Obama werde Trump noch abfangen.

Und was wird besser in dieser?

Vielleicht sieht sie es ein.

Die Proteste gegen Rechtsextremismus rissen in der vergangenen Woche nicht ab. Was kann daraus entstehen?

Demokratie ist, wenn alle das Glas halb leer haben. Im Idealfall, mehr kann sie nicht. Davon ist dies Land Lichtjahre entfernt, das soziale Gefälle brutal, Bildungsnot, Kinderarmut, you name it. Außerdem macht sich auf Pappschildern nicht sonderlich mitreißend: „Mit geht’s okay, ich kann noch was abgeben.“ Die Autoritären kapern die Neigung der Deutschen zum Gemeinwohl und definieren schon mal durch, wer alles rausfliegt, damit der Rest Gemeinwohl hätte. Die Demokraten reagieren stumpf: Sie grenzen auch aus, verständlich – Rechte, Rechts­ex­tre­me, AfD, Nazis. Es ist halt leichter, gegen etwas oder jemanden zu demonstrieren, als für – das halb leere Glas. Aber da geht es lang.

AfD-Chef Tino Chrupalla war bei Markus Lanz zu Gast. Muss man der AfD diese Plattform geben?

Die Wellen um solche Auftritte entstehen in hinreichend übel beleumundeten Schnatterklappen wie X. Im Fernsehen selbst würde es genügen, ungefähr alle politischen Gäste so distanziert anzufassen wie die Schlammcatcher, die auch um der erhofften Sauereien willen eingeladen werden. In den digitalen Medien haben Durchfallerhitzer die Oberhand. Solange dort keine „Verantwortung im Sinne des Pressegesetzes“ einkehrt, sind Debatten über das Seniorenmedium TV ziemlich retro.

Die Jugendorganisation der AfD, die Junge Alternative (JA), gilt weiterhin als gesichert rechtsextrem eingestuft. Gut so oder nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Die Hoffnung, verfassungsschützende Maßnahmen stärkten Kräfte in der AfD, die Partei auf legalistisch zu schminken, sind vorbei und hießen bestenfalls Meuthen. Stattdessen fabulieren Rassisten zunehmend unverhohlen. Gegen die als „gesichert rechts­ex­trem“ eingestuften Landesverbände und die JA sind im nächsten Schritt „Vereinsverbotsverfahren“ juristisch möglich; ob es für ein Parteiverbot auf Bundesebene reicht, scheint offen. Das Parteiverbot kann blamabel scheitern, noch mehr Märtyrerweihrauch verbreiten und ist angesichts der Wählerstimmen grenzwertig. Andererseits: Hätten unsere Ahnen etwa 1931/1932 auch nur den Versuch zuwege gebracht, könnte man ausnahmsweise mal stolz sein.

Ein Student der Freien Universität hat einen jüdischen Kommilitonen krankenhausreif geprügelt. Die Lage an den Unis im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt spitzt sich immer weiter zu. Wie kann man diese Situation entschärfen?

Wer, wie hier, außerhalb der Uni einen Kommilitonen gewaltsam angreift, begründet den Verdacht, dies auch auf dem Campus zu tun: Hausverbot. Das entschärft nicht die Lage, aber die Bedrohung jüdischer Studierender. Das hat Vorrang.

Das Bundeswehr-Kriegsschiff „Hessen“ ist auf dem Weg ins Rote Meer, um Handelsschiffe vor den Huthi-Rebellen zu schützen. Wer gewinnt?

Die Beigeräusche beunruhigen: „Der ernsthafteste Einsatz der deutschen Marine seit Jahrzehnten“, wird der Inspekteur vielfach zitiert. Da kann man würfeln, ob es ein Risiko anzeigt oder uns ans Risiko gewöhnen soll.

Touristen mit SUVs zahlen in Paris künftig deutlich mehr fürs Parken. Gute Idee?

Die „Tagesschau“ schreibt hier von „schweren Stadtgeländewagen“. Merkste selbst, hm?

Der Straßenkarneval hat begonnen, und die Narren stürmen wieder Rathäuser. Was könnten sie als Nächstes besetzen?

Wenn der Karneval nicht wäre, könnte man grundsätzlich über die Abschaffung des Februars diskutieren.

Das DFB-Pokal-Viertelfinale zwischen Saarbrücken und Mönchengladbach wurde nach anhaltenden Regenfällen abgesagt. Wer ist schuld?

Die Drainage. Wahrscheinlich liegt’s am Drainer. ’tschuldigung. Spornstreichs hat der Stadtrat nun zwei Millionen Euro bewilligt, um den Rasen zu den Fans oder auch die Fans zum Rasen zu bringen. Jedenfalls: Drittligist Saarbrücken hat hier neulich den FC Bayern aus dem Pokal geworfen und genießt nun großen politischen Rückhalt. Außer bei den örtlichen Grünen, die monieren, dass rings ums Stadion der gemeine Fan auch gerne mal ausläuft und Anwohner verärgert. Und der AfD, die „das Geld der Bürger verpulvert“ sieht. Funfact: Nach den DFB-Regularien darf der Klub nicht in ein Stadion nebenan in Frankreich ausweichen. Schade.

Und was machen die Borussen?

Da es jetzt den Retortenklub RB Leipzig gibt, kann man vollen Herzens zum ehedem Retortenklub Leverkusen halten, damit Bayern nicht Meister wird. Das ist Fortschritt.

Fragen: Livio Koppe

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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