Rechtsextremismus in der AfD: Die Online-Rassisten

Niedersachsens AfD grenzt sich theoretisch von der rechtextremen Identitären Bewegung ab. Social Media-Fotos zeigen, dass die Praxis anders aussieht.

AfD-Fraktionsvorsitzender Stefan Marzischewski-Drewes sitzt mit einer Krawatte in schwarz-rot-gold im Niedersächsischen Landtag.

Möchte keine Kritik wegen Kontakten zu Rechtsextremen hören: AfD-Fraktionsvorsitzender Stefan Marzischewski-Drewes Foto: dpa | Julian Stratenschulte

Ein Bild, eine Botschaft – und ein Problem für die AfD. Simon Pocinosznow und Rabea Shahini zeigen im Internetdienst Instagram das Symbol für „white power“: Daumen und Zeigefinger zum O geformt, die weiteren zum W.

Shahini engagiert sich stark bei der AfD. Sie kandidierte erfolglos für den niedersächsischen Landtag. Jetzt ist die ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbandes Braunschweig offenbar Mitarbeiterin der AfD-Fraktion. Pocinosznow bewegt sich bei der rechtextremen Identitären Bewegung (IB).

Das Foto ist peinlich für die AfD, denn es offenbart die Nähe Shahinis zur rechtsextremen Szene – dabei ist die Partei gerade bemüht, sich davon zu distanzieren. Die Fraktion um den Vorsitzenden Stefan Marzischewski möchte nicht noch stärker in die Kritik geraten.

Seit der Diskussion um ein Treffen von AfD-Politikern, CDU-Mitglieder:innen und Un­ter­neh­me­r:innen mit dem Vordenker der Identitären Bewegung, Martin Sellner, muss sich die Partei erstmals in der breiten Öffentlichkeit rechtfertigen. Sellner propagierte bei dem vom Rechercheportal „Correctiv“ publik gemachten Treffen die „Remigration“ von Einwanderern.

Mit dem Nudelholz schlägt Shahini auf die Logos demokratischer Parteien ein

Die Landtagsfraktion bestreitet die Anstellung Shahinis. Auf Nachfrage der taz erklärte die Pressereferentin Lydia Simal zwar, dass die Identitäre Bewegung auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD stehe, aber Frau Shahini nicht in der Fraktion arbeite. Ein aktueller Screen­shot aus dem Landtag, der der taz vorliegt, legt diese Annahme jedoch nahe. Hier wird Shahini aufgelistet mit Telefonnummer, Raumangabe, Landtags-E-Mail-Adresse und dem Vermerk „AfD-Fraktion“.

Sie selbst gab im Mai 2023 bei Facebook an „Mitarbeiterin der AfD im Niedersächsischen Landtag“ zu sein. „Arbeitet bei der AfD“, schreibt sie bei einem weiteren sozialen Medium – dort gleich mit dem Hinweis, das sie früher mit Nachnamen Wölk hieß. Aus dem Landesparlament ist zu hören, das die Frau immer wieder Fotos von der AfD-Fraktion aufnehme – offensichtlich für die Auftritte in den sozialen Medien. Auf Facebook publizierte sie „ein paar schöne Schnappschüsse“ der Abgeordneten aus dem Plenum.

Auf dem Internetkanal Tiktok wirbt Shahini als „deutsches_maedel“ für die Partei. Mal sitzt sie dabei im Auto und erklärt: „Was gibt es besseres als eine deutsche Frau in deutscher Tracht in einem deutschen Auto mit deutschem Bier, die AfD-Mitglied ist.“ Mal steht sie in der Küche mit einem Nudelholz und schlägt auf die eingeblendete Parteilogos der demokratischen Parteien ein.

Shahini dokumentierte dort den Protest der Landwirte gegen die Streichung der Subventionen für Agrardiesel. Der Clip ist unterlegt mit dem Lied „Es ist Zeit zu rebellieren“. Im Jahr 2000 veröffentlichte Annett Müller erstmals diesen Song. Bis zu ihren Ausstieg 2016 war Müller ein Star in der rechtsextremen Musikszene. Die Auswahl dieses Liedes deutete ebenfalls auf weit zurückreichende Szenekontakte Shahinis hin.

„Einmal mehr zeigt sich, dass es in der AfD-Fraktion auf der inhaltlichen wie auch auf der Arbeitsebene enge Verbindungen ins gesichert rechtsextremistische Milieu gibt“, sagt Michael Lühmann. Und der Sprecher der grünen Landtagsfraktion für Innenpolitik ergänzt, dass bei der AfD alle Versuche der „Selbstverharmlosung regelmäßig an der Realität“ scheiterten.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, André Bock, kommentiert: „Es wäre nicht wirklich überraschend, dass nicht nur Abgeordnete der AfD Kontakte zur Identitären Bewegung oder anderen rechtsextremen Gruppierungen haben, sondern auch Mitarbeiter.“ Bock spielt auf Peer Lilienthal an. Der AfD-Abgeordnete soll enge Beziehungen zu einem weiblichen Mitglied der Identitären Bewegung haben. 2018 war diese Mitarbeiterin der Fraktion.

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Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).

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