kritisch gesehen: „la notte italiana – reise ans ende der gleichgültigkeit“ im stadttheater wilhelmshaven
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Ach, die selbst ernannte Linke. Als im Bundestag vertretene Partei hat sie sich zerlegt, ist aber auch unabhängig davon wortstark zerstritten. Und von der SPD erwartet niemand mehr, dass sie als Speerspitze linker Politik fungiert. Das linke Wegducken wurde überdeutlich angesichts einer sich radikalisierenden rechten Szene und ihres an den Wahlurnen immer erfolgreicheren parlamentarischen Arms, der AfD. Erst seit der Veröffentlichung ihrer „Remigrations“-, also: Deportations-Bestrebungen zeigt sich ein Aufbegehren in Demonstrationen.

Dazu ein Stück im Spielplan zu haben, lässt das Theater mit der Zeitgenossenschaft seiner Arbeit prunken. Dieses Gütesiegel für die eigene Relevanz hat sich in Wilhelmshaven die niedersächsische Landesbühne Nord erworben, indem sie das thematische Gespür von Mario Wurmitzer mit einer Uraufführung honoriert: Der österreichische Autor hat die traurig drängende Aktualität von Ödön von Horváths „Italienische Nacht“ erkannt, sie fürs Hier und Heute als „La Notte Italiana – Reise ans Ende der Gleichgültigkeit“ überschrieben, die Oberspielleiter Robert Teufel nun in Szene gesetzt hat.

Handlungsort der Volksstück-Vorlage ist ein deutsches Gasthaus im Jahr 1930: Bräsige Demokraten treffen dort an ihrem italienischen Abend auf aggressive Nazis. Anstatt sich mit der Gefahr auseinanderzusetzen und den Kampf um den Bestand der Weimarer Republik aufzunehmen, spielen deren angebliche Hüter lieber Karten, trinken Bier und zanken herum. Bei Horvath ist das ein bitterböser Hinweis, wie die selbstgefällige Linke mit internen Kämpfen das Erstarken der NSDAP verschläft.

Bei Wurmitzer marodieren die Neonazis vor einem schnieken italienischen Lokal. Drinnen trifft sich ein linker Stammtisch in der Überzeugung, „Thinktank“ zu sein. „Wir tun überhaupt nichts / Sondern wir überlegen“, heißt es. Und die „Bösen“ vor der Tür? „Die wollen uns hauen“, aber „wir wollen nicht über sie sprechen, sie sind die Aufmerksamkeit nicht wert“. Da kann der rechte Mob draußen toben wie er will. „Hier drinnen sind unsere Meinungen in Sicherheit.“

Wobei die Schauspielenden sich in einer entindividualisierten, mal eitel hüpfenden, mal wichtigtuerisch trippelnden, immer putzigen Gruppenchoreografie bewegen und den Text als Chor intonieren. Gestört nur durch Marie (Steffi Baur), die raus will aus der theoretischen Besserwisser-Defensive und den Linken entgegen schleudert: „Eure Gleichgültigkeit widert mich an.“ Hinzu gesellt sich Bruno Schmidt (Sven Heiß), der seinen 50. Geburtstag mit einer Italo-Karaoke-Party feiert und die Linken beschimpft als „privilegierte Lügner / die so tun als wollten sie soziale Gerechtigkeit aber in / Wahrheit nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind“.

Das Stück entwickelt sich zu einer prima Satire, schlau, temporeich und sehr witzig. Getragen von einem spielfreudig-spaßwilligen Ensemble. Angemessen grell bringt die Regie den Stakkato-Text als rasante Polit-Comedy in Form, um dann im Finale zu melancholischem Optimismus zu finden.Jens Fischer

Schauspiel „La Notte Italiana“, wieder am 7. 2. und 24. 3., jeweils 20 Uhr, Stadttheater Wilhelmshaven