Ukrainische Klage vor dem IGH: Nur ein Teilerfolg für die Ukraine

In Den Haag wehrt sich die Ukraine gerichtlich gegen falsche Anschuldigungen Russlands und den Krieg. Nur die Vorwürfe aus Moskau werden geprüft.

Sieben Richter:innen sitzen in ihren Roben an einem langen Tisch aus dunklem Holz auf dem das Logo der Vereinten Nationen prangt

Der Internationale Gerichtshof gibt teils der Ukraine recht, teils folgte er Russlands Argumenten Foto: Piroschka van de Wouw/reuters

FREIBURG taz | Der Internationale Gerichtshof (IGH) erklärte die ukrainische Klage gegen den russischen Vorwurf des Völkermords im Donbas für zulässig. Ob der Vorwurf berechtigt oder erfunden war, wird nun im Hauptverfahren entschieden. Jedoch will der IGH nicht prüfen, ob der russische Angriff auf die Ukraine rechtmäßig war.

Am 24. Februar 2022 hat Russland die Ukraine militärisch angegriffen. Der Überfall wurde unter anderem damit begründet, die Ukraine verübe im Ostteil des Landes, dem Donbas, einen Völkermord an der Bevölkerung.

Zwei Tage nach Beginn des Angriffs erhob die Ukraine eine Klage beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag, dem Gericht der Vereinten Nationen. Der IGH solle feststellen, dass die Ukraine im Donbas keinen Völkermord begangen hat. Außerdem solle der IGH feststellen, dass der auf den Völkermord-Vorwurf gestützte russische Angriff rechtswidrig ist. Beide Teile der Klage stützte die Ukraine auf die UN-Völkermord-Konvention von 1948.

Russland hielt schon die Klage für unzulässig. Die militärische Spezialoperation in der Ukraine sei gar nicht mit Völkermord-Vorwürfen begründet worden, sondern mit Angriffen der Ukraine auf die abgespaltenen Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Zudem dürfe die Völkermord-Konvention nicht missbraucht werden, um dem IGH ganz andere Fragen vorzulegen, etwa nach der Rechtmäßigkeit der russischen Spezialoperation.

Keine Frage der Genozid-Konvention

Der IGH gab der Ukraine am Freitagnachmittag teilweise recht, teilweise folgte er aber auch der russischen Argumentation.

So erklärte der IGH den ersten Teil der ukrainischen Klage für zulässig. Die Ukraine habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung durch den IGH, ob sie im Donbas Völkermord begangen hat. Russlands Präsident Wladimir Putin habe am Morgen des Angriffs auf die Ukraine ausdrücklich erklärt, die Maßnahme solle Menschen schützen, „die seit acht Jahren der Misshandlung und dem Völkermord des Kiewer Regimes ausgesetzt sind“.

Für die Zulässigkeit dieses Teils der ukrainischen Klage stimmten 15 von 16 IGH-Richter:innen. Nur der russische Richter stimmte dagegen. Ob der Vorwurf stimmt, musste der IGH in diesem Vorverfahren noch nicht entscheiden. Wann das Hauptsacheverfahren beginnt, ist noch offen.

Mit 12 zu 4 Richterstimmen lehnte der IGH jedoch den zweiten Teil der ukrainischen Klage als unzulässig ab. Der IGH wird sich also nicht mit der Frage beschäftigen, ob der russische Angriff auf die Ukraine rechtmäßig war. Dies sei eine allgemeine Frage des Völkerrechts und nicht der Genozid-Konvention. Für allgemeine Fragen des Völkerrechts ist der IGH nur zuständig, wenn sich beide Staaten eines Konflikts der Rechtsprechung des IGH unterworfen haben, was aber weder bei Russland noch bei der Ukraine der Fall ist.

Die Ukraine versuchte sich daher auf die Völkermord-Konvention zu berufen, in der eine generelle Streitschlichtung durch den IGH vorgesehen ist. Die Ukraine warf Russland in diesem Verfahren aber nicht vor, in der Ukraine selbst Völkermord zu begehen. Vielmehr beschränkte sich die Ukraine auf den Vorwurf, Russland nutze den falschen Völkermord-Vorwurf für einen rechtswidrigen Krieg.

Der Vorwurf, dass Russland die Ukraine völkerrechtswidrig angegriffen hat, bleibt damit ungeprüft. Allerdings ist es international auch kaum umstritten, dass Russland hier das Völkerrecht verletzt. Nur eine Handvoll Staaten wie Nordkorea hält Russlands Vorgehen für rechtmäßig.

Die einstweilige Anordnung des IGH von März 2022, in der Russland zur sofortigen Beendigung der Militäroperation in der Ukraine aufgefordert wurde, bleibt bestehen. Allerdings ignorierte Russland bisher den Richterspruch. Der IGH kann seine Urteile nicht selbst vollstrecken und im UN-Sicherheitsrat hat Russland ein Vetorecht.

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