Amphibientunnel in Hamburg: Für ein paar Kröten mehr

In Blankenese lässt man sich den Artenschutz ordentlich was kosten. Ein Amphibienleitsystem bringt Kröten sicher zu ihren Laichgründen.

braune Kröten laufen in einem Tunnel unter Autoverkehr

Um sicher unter der Straße durchzu­kommen: Leitsystem für Kröten Illustration: Jeong Hwa Min

HAMBURG taz | Die Kröten wandern wieder. Das erkennt man an den flachen grünen Kunststoffbarrie­ren, die irgendwann im Februar an den Rändern der zumeist viel befahrenen Hauptstraßen auftauchen, die die Orte verbinden. Und an den Schildern mit Krötensymbol drauf. Mit dem „großen Ansturm ist ab Ende Februar zu rechnen“, schreibt der Nabu Niedersachsen über die jährliche Amphibiensaison, was irgendwie weltläufiger klingt als: Kröten hüpfen über Felder und durch Wälder zu ihren Laichgründen.

Die ersten Tiere sind aber bereits jetzt unterwegs. Ein paar grüne Zäunchen stehen schon parat, und bald werden die Freiwilligen vorbeikommen, um die Kröten auf die andere Straßenseite zu tragen. Früher haben sie das in Hamburg-Blankenese auch so gemacht, das brauchen sie jetzt nicht mehr.

In dem Stadtteil, der oben auf dem Elbhang thront und sich zum Fluss ergießt, hat der Bezirk Altona Krötentunnel finanziert, damit die Tiere auf ihrer Wanderung zu ihrem Tümpel – beziehungsweise etwas unromantisch ins hiesige Regenrückhaltebecken – nicht überfahren werden. Und damit die Menschen keine Kröten mehr tragen müssen.

Die Besonderheit

Vier Krötentunnel sind in Blankenese gebaut worden, plus insgesamt mehr als 400 Meter Amphibienleitsystem – das gab es alles für 466.000 Euro. Die geplanten Kosten von 420.000 Euro erhöhten sich unter anderem wegen teurerer Baumschutzmaßnahmen oder zusätzlicher Geländer als Absturzsicherung für Fußgänger und Radfahrerinnen.

Die Zielgruppe

Erdkröten. Vor zehn Jahren gab es von denen in der Krötentunnelgegend laut Nabu noch rund 5.000, im Jahr 2021 wurden zuletzt noch rund 600 Tiere gezählt. Der Bestand der Teichmolche ist gar von zehn auf ein Tier geschrumpft. Denen hilft das Tunnelsystem natürlich nicht. Vereinzelt hat der Nabu aber auch auf der Roten Liste stehende Bergmolche, Grasfrösche, Teich­frösche und Wasserfrösche gesichtet. Vielleicht will ja einer von denen den Tunnel nutzen.

Hindernisse auf dem Weg

Keine, denn dieses Amphibiensystem ist ja zum Hindernisüberwinden da.

Vier solcher Tunnel sind es plus insgesamt mehr als 400 Meter Amphibienleitsystem aus Beton und Stahl. Einer der Tunnel leitet die Tiere unterm Falkensteiner Weg hindurch. Die Fahrradstraße verbindet den Ort oben mit dem Elb­strand unten. Die Straße den Hang rauf ist so steil, dass man zwischendurch absteigen und schieben muss, es sei denn man ist Profiradfahrerin. Im Sommer ist es hier fantastisch, nicht allzu viele Menschen verirren sich an den weißen Strand, weil die Fahrt von der Stadt mit dem Rad schon so 40 Minuten dauert und man mit dem Wagen nicht her darf. Einen Kiosk mit ein paar Tischen draußen gibt es, der ist jetzt verrammelt. Hamburgs schönster Campingplatz ist auch nicht weit, direkt am Strand kann man sein Zelt aufstellen.

An diesem Februarnachmittag ist nur eine Säge zu hören und etwas Gehämmere. Oben auf dem Hang bauen sie gerade riesige bläulich verspiegelte Fensterfronten in ein Haus mit einer Backsteinfassade ein, die so dunkel ist wie der Wald drumherum. Eine Frau geht mit tief in die Stirn gezogener Mütze vorbei. „Moin,“ „Moin.“ Als ich sie im Vorbeigehen noch frage, ob sie den Krötentunnel kennt, schaut sie mich bloß befremdet an und stapft wortlos weiter den steilen Hang rauf. Vielleicht hab ich auch bloß genuschelt und sie hat mich nicht verstanden.

Ich finde es dann auch so, das Amphibienleitsystem am Straßenrand, mit Blick auf die dahinfließende Elbe. Es besteht an dieser Stelle aus etwa wadenhohen hellgrauen Betonmauern, die die Kröten zu einem Tunneleingang leiten, durch den sie dann sicher unter der Straße auf die andere Seite gelangen. Die Mauern sind an einigen Stellen mit nassem Laub bedeckt und dreckig, bilden auf beiden Seiten ein weitläufiges V, das im Tunneleingang mündet.

Weiß man nicht, was man hier vor sich hat, man könnte das Amphibienleitsystem auch einfach für ein Abflusssystem oder so etwas halten. An einem Baumstamm pinnt ein Zettel, von weitem denke ich, dass da sicher erklärt wird, was das hier sein soll. Aber da bietet bloß jemand Hundesitterdienste an.

Kröten sind auch keine in Sicht. Ich gehe in die Hocke, um einen Blick in den Tunnel zu werfen. Auch da sind keine Kröten zu sehen, der Tunnel ist nur voll mit Laub, und ansonsten ist es da drin schwarz wie die Nacht.

Ein Tunnel für eine halbe Million

Die Kosten für das Krötentunnelsystem von fast einer halben Million Euro haben die üblichen Verdächtigen auf den Plan gerufen: Den Bund der Steuerzahler, der Zweifel anmeldet, ob die Maßnahme am Falkensteiner Ufer und am Falkensteiner Weg überhaupt notwendig sei. Und die örtliche FDP, die über falsche Prioritätensetzung des grün geführten Bezirksamts Altona und über Über-das-Ziel-hinaus-Geschieße meckert. Die Leiterin des Bezirksamts, Stefanie von Berg (Grüne), sagte jedenfalls im Spiegel: „Uns und ganz persönlich mir ist es das wert.“

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Nun ist hier wirklich wenig bis gar kein krötengefährdender Autoverkehr. Nur Anlieger, und von denen gibt es wenige, dürfen mit dem Wagen herfahren. Anders war das im April 2013, als hier noch keine Fahrradstraße war und man rund 300 Fahrzeuge pro Tag zählte und daraus die Notwendigkeit des Tunnels abgeleitet wurde. Heute parkt hier nur ein einsamer dunkelgrauer Wagen halb auf der Straße, halb im Matsch.

Man kann sich irgendwie schon fragen, ob es angemessen ist, fast eine halbe Million Euro für ein paar hundert Kröten auszugeben. Ich find doch. Jede nicht plattgefahrene Kröte ist ja irgendwie eine gute Kröte.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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