Wiederholung Bundestagswahl 2021: Nur je­de*r Fünfte wählt in Berlin

Viel wird die Neuwahl nicht verändern. Genau deshalb könnte die AfD profitieren. Davor sorgen sich Po­li­ti­ke­r*in­nen und mobilisieren zur Urne.

Michael Müller (SPD), ehemals Regierender Bürgermeister von Berlin, spricht bei einer Pressekonferenz.

Michael Müller tritt am Sonntag bei der Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin an Foto: Fabian Sommer/dpa

BERLIN taz | Muss Deutschland gebannt auf die Teil-Wiederholung der Bundestagswahl von 2021 in Berlin schauen? Nein, meinen manche mit Blick auf die Rahmendaten – am Sonntag darf in Berlin gerade mal jeder und jede Fünfte nochmal abstimmen, und das ist bundesweit weniger als ein Prozent der Wahlberechtigten.

Ja, sagen hingegen die, die sich um die Botschaft dieser Wahl sorgen, weil sie die erste größere im Jahr 2024 ist. Von der Wahlwiederholung müsse ein klares Signal gegen Rechtsextremismus ausgehen, weshalb jede Stimme zähle, war deshalb von SPD-Chef Lars Klingbeil schon beim Wahlkampfauftakt zu hören.

Die Mehrheit der Ampel-Koalition im Bundestag wäre auch nicht gefährdet gewesen, hätte das Bundesverfassungsgericht kurz vor Weihnachten die Wiederholung nicht auf bloße 455 von 2.256 Berliner Wahlbezirken beschränkt – anders als das Berliner Landesverfassungsgericht. Das hatte schon im November 2022 wegen der Pannen am gemeinsamen Wahltag zu Bundestag und Abgeordnetenhaus entschieden und auf Landesebene eine komplette Wiederholung angeordnet, was im Februar 2023 zum Regierungswechsel von Rot-Grün-Rot zu Schwarz-Rot führte.

Die Kompetenz des Berliner Gerichts beschränkte sich aber auf die Wahl zum Landesparlament: In Sachen Bundestagswahl lag die Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht, das ein Jahr später entschied – knapp zweieinviertel Jahre nach der Pannenwahl am 26. September 2021. Dass Parteigrößen wie Klingbeil so sehr darauf drängen, am Sonntag auf jeden Fall wählen zu gehen oder das vorher per Briefwahl zu tun, liegt gerade an den wenigen Wahlberechtigten und der Sorge vor geringer Wahlbeteiligung. Denn davon könnte die AfD profitieren.

An der Wahlurne ein Zeichen setzen

Das hätte zwar weder in Wahlkreisen noch in weiteren Mandaten gerechnet Folgen. Für die aktuellen Bemühungen, auf breiter Front Haltung gegen den rechten Rand zu zeigen, wäre es aber mit Blick auf die jüngsten Enthüllungen zu rechtsextremen Umtrieben der AfD ein Rückschlag. „Bitte setzen Sie am Sonntag ein Signal: Demokratie zählt!“, forderte am Dienstag auch Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler.

Bei der in Umfragen schwächelnden Linkspartei waren im Moment der Urteilsverkündung am 19. Dezember Seufzer der Erleichterung durch Partei- und Abgeordnetenbüros gegangen. Denn bei einer kompletten Wiederholung wäre auch in jenen beiden Berliner Wahlkreisen gänzlich neu gewählt worden, die mit dem Wahlkreis Leipzig II seit 2021 das politische Überleben der Linkspartei sichern: Sie blieb damals unter der 5-Prozent-Hürde und nur über die 3-Direktmandate-Regel in voller Stärke ihres Wahlergebnisses im Bundestag.

Auch wenn die Teilwiederholung für die Mehrheit der Ampel-Koalition nicht relevant ist, so betrifft ihr Ausgang mehrere auf Landesebene prominente Abgeordnete. Trotz der insgesamt geringen Zahl der Wahlbezirke erscheinen bei zwei der zwölf Berliner Direktmandate Veränderungen möglich – zu denen eben nicht jene gehören, in denen 2021 die Linkspartei siegte. Das hängt auch mit der stark veränderten Stimmung ab: Lag 2021 die SPD vorne, so ist die CDU aktuell in den meisten Umfragen doppelt so stark wie die SPD.

Michael Müller etwa, bis 2021 Regierender Bürgermeister von Berlin, könnte auf diese Weise sein SPD-Direktmandat im Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf verlieren, wo seit vielen Jahren auch die jetzige Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) kandidiert. Er bliebe aber dennoch im Bundestag, weil er über die SPD-Landesliste abgesichert ist – jene Liste, die Parteien Sitze ohne Wahlkreise zurechnet.

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