Vom Fußball lernen: Mit Tennisbällen gegen die AfD

Der Protest der Fußball-Fans war erfolgreich. Was tun mit den ganzen Tennisbällen, die nun nicht mehr gebraucht werden?

Ein Eimer mit Tennisbällen steht auf einem grünen Sportplatz

Wunderwaffe Tennisbälle Foto: Uwe Anspach/dpa

Seit Wochen versammeln sie sich jede Woche zu Tausenden, um ein Zeichen zu setzen. Sie treffen sich an unwirtlichen Orten in der tiefsten Provinz wie Sinsheim oder Elversberg, wo es großen Mut erfordert zu protestieren. Sie wehren sich gegen einen übermächtigen Gegner, während ihnen von Zeitungskolumnisten und sogenannten Experten gesagt wird: Das bringt doch nichts.

Und dann gewinnen sie.

Gemeint sind nicht die Proteste gegen rechts, sondern der Erfolg der Fußballfans gegen den Versuch der Deutschen Fußball Liga (DFL), ein Geschäft mit einem Investor abzuschließen. Es ist ein bisschen dick aufgetragen, aber das ist im Sportjournalismus ja erlaubt: Dieser Sieg ist historisch. Wann hat einmal eine so bunte Bewegung einen Deal verhindert, bei dem es um mehr als eine Milliarde Euro ging?

Erfolgreich war der Protest, weil er anders als der gegen rechts ein Druckmittel hatte. Die Fans sind sich ihrer eigenen Macht bewusst geworden. Gemeinsam können sie zu jedem Zeitpunkt ein Spiel unterbrechen. Alles, was sie dafür brauchten, waren ein paar Tennisbälle. Mag die Kommerzialisierung des Fußball noch so weit fortgeschritten sein – ein Fußballspiel verkauft sich schlecht, wenn die ZuschauerInnen nicht mitmachen. Wären die Fans nur mit ein paar frechen Spruchbändern aufgetaucht, hätten sich die Sportfunktionäre über ihren Einspruch hinweggesetzt.

Viele sind zu zivilem Ungehorsam bereit

Der Protest der Fußballfans zeigt, dass viele Menschen bereit sind zu zivilem Ungehorsam. Als das letzte Mal eine Bewegung gegen rechts einen großen Erfolg feierte, war auch ein kollektiver Regelübertritt dafür verantwortlich. Das Bündnis Dresden Nazifrei schaffte es, dass sich Tausende an Straßenblockaden gegen den damals größten Naziaufmarsch in Europa beteiligten. Heute treffen sich die Nazis nicht mehr in Dresden, das brauchen sie nicht mehr. Sie sitzen in den Parlamenten, da lassen sie sich schwerer mit Straßenblockaden oder Tennisbällen aufhalten.

Man kann den Protesten gegen rechts nicht vorwerfen, dass sie anders funktionieren als der Protest im Stadion. Auch wenn die Vorstellung verlockend ist: Wann immer Alice ­Weidel irgendwo auftritt, fliegen Tennisbälle. Aber vielleicht wurde in den vergangenen Wochen doch zu viel darüber diskutiert, ob sich ein paar Konservative auf den Demos gegen die AfD auch wohlfühlten, und zu wenig darüber, wie der Protest mächtiger werden könnte.

Doch auch wenn Tennisbälle nicht die AfD aufhalten werden, heißt das noch lange nicht, dass sie in der Politik völlig nutzlos sind. Über Kleinanzeigen werden nun Tennisbälle zum Kauf angeboten, die schon für den nächsten Spieltag gekauft worden waren und jetzt nicht mehr benötigt werden – zumindest nicht für den Protest auf Fußballfeldern.

Im Fraktionssaal, Pardon, im Gruppenraum der Linken im Bundestag könnte man mit ihnen ein Bällebad anlegen, das ist das Letzte, was der Partei noch für ihren Kindergarten fehlt. Spielerisch können sich die Genossinnen so wieder näher kommen, bis die Durchsage über den Lautsprecher verkündet: „Der kleine Dietmar vermisst seine Sahra, er kann am Eingang abgeholt werden.“

Und dann wäre da noch Markus Söder, der sich über einen Schwung Tennisbälle freuen würde. Dass er gerade so unausgeglichen wirkt, liegt vielleicht daran, dass er kaum noch zu seinem liebsten Hobby kommt, dem Tennisspielen. Dem tennis MAGAZIN sagte er mal: „Mein Rückhandslice hat mir oft aus der Patsche geholfen.“ Und: „Ich war keiner, der in Schönheit sterben wollte.“ Auch wenn man diese Gefahr bei Söder als eher gering einschätzt, wäre es doch schön, wenn er sich wieder mehr der Schönheit des Spiels widmen könnte, als im Bierzelt hässliche Dinge zu verbreiten.

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Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.

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