Mit Händen und Füßen Zirkus machen

Europas größter Kinderzirkus Cabuwazi wandelt auf Orientpfaden. Derzeit gastiert der Jerusalem Circus

Der sozialpädagogische Kulturbetrieb Cabuwazi, Europas größter Kinder- und Jugendzirkus, ist derzeit eine Begegnungsstätte ganz besonderer Art. Vom 29. Mai bis zum 5. Juni gastiert der Jerusalem Circus bei den Berliner Partnern. Das Projekt ist Teil des Austauschprogramms Circolibre und sieht die Zusammenarbeit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus Israel, Palästina und Deutschland vor. Es soll helfen, historische Barrieren zu überwinden und den kulturellen Austausch verbessern – gemeinsames Werkzeug dafür ist das Zirkusmachen.

Karl Köckenberger, Vorstand des Circus Cabuwazi, könnte sich eigentlich zurücklehnen und mit dem Erreichten zufrieden sein. 1998 wurde seine Einrichtung vom Deutschen Kinderhilfswerk als bester deutscher Kinderzirkus geehrt. Aber das hat ihm nicht gereicht. Köckenberger wollte einen Beitrag zur Völkerverständigung leisten. Auf einem Zirkusfestival in Belgien traf er vor drei Jahren auf Elishera Yortner, die dem Jerusalem Circus vorsteht. Und plötzlich war er mit seiner Vision nicht mehr alleine, in ihr hatte er die passende Partnerin gefunden. Denn ihr war es gelungen, in Israel eine Einrichtung für Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Nationalitäten, Glaubensrichtungen und sozialer Schichten zu schaffen. „Ob palästinensische oder israelische Herkunft, ob jüdischer, muslimischer oder christlicher Glaube, ob der Vater sein Geld als Arzt oder Taxifahrer verdient, all das spielt bei uns keine Rolle“, erklärt Yortner.

Doch das ist nur die Theorie, in der Praxis sieht es oft anders aus. Einmal zum Beispiel kamen Eltern zu Yortner, die ihr Kind sehr gerne in den Jerusalem Circus schicken wollten – allerdings nur, wenn sich die Gruppe ausschließlich aus israelischen Mitgliedern zusammensetzen würde. Insgesamt 30 Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 14 Jahren konnte sie bis heute dennoch zum Mitmachen gewinnen. Kooperationen bestehen mit Zirkussen in den USA, in Belgien, Polen, Frankreich und Russland. Die Zusammenarbeit mit einer deutschen Einrichtung war Yortner wegen des schwierigen historischen Verhältnisses ein ganz besonderes Anliegen.

Das gemeinsame Training im Circus Cabuwazi ist auch eine Vorbereitung auf das Internationale Kinder- und Jugendzirkusfestival „Junger Zirkus Europa“ im Oktober 2005. Auf der gestrigen Großen Zirkusshow gab es eine erste Kostprobe in hebräischer, arabischer und deutscher Sprache. Sprachliche Barrieren gibt es im Zirkus keine. Jeder hier spricht neben seiner Muttersprache zumindest eine weitere Fremdsprache.

Und sollte es tatsächlich einmal keine gemeinsame sprachliche Grundlage geben, so ist auch das kein Beinbruch. „Missverständnisse treten ebenso auf, wenn zwei die gleiche Sprache sprechen“, meint Köckenberger. Wenn Artisten am Trapez hingen, funktioniere die Verständigung dagegen auch ohne Worte. Die Sprache der Artistik sei eben international. „Der Zirkus“, fährt er fort, „ ist ein Ort der Zusammenführung, ein Ort, an dem Brücken gebaut werden. Hier sind Grenzüberschreitungen möglich.“ KARSTEN SCHÜLE