Tatort Bremen oder: „Das ist meine Tante Inga“

Inga Lürsen ist vielen Fernsehzuschauern ans Herz gewachsen. Morgen ermittelt die Bremer Kommissarin im 600. Tatort. „Eine besondere Ehre, dass wir dafür ausgesucht wurden“, sagt Fernsehfilm- und Serienchefin Annette Strehlow von Radio Bremen. Sie erklärt, warum Inga so wurde wie sie ist

bremen taz ■ Sie kennt sie wahrscheinlich besser als jeder andere. Seit sechs Jahren betreut Annette Strehlow die Redaktion des Bremer Tatortes und Inga Lürsen beschäftigt die Fernsehfilm- und Serienchefin von Radio Bremen immer wieder aufs Neue. Annette Strehlow wählt Autoren aus, stellt das Drehteam zusammen – doch vor allem entwickelt sie die Figur der Kommissarin Inga Lürsen und ihres Assistenten Stedefreund, die morgen im 600. Tatort „Scheherazade“ ermitteln. „Inga ist so etwas wie meine Tante“, sagt die 38-Jährige. Und dann erklärt sie, dass sie ein distanziertes Verhältnis zu der Figur habe, aber natürlich mit ihr lebe. „Ich habe sie biografisch festgezurrt.“

Übernommen hat Annette Strehlow die von Sabine Postel gespielte Ermittlerin von Bernhard Gleim, der die Idee für den Bremer Tatort mit Unterhaltungschef Jürgen Breest und Redakteurin Jutta Boehe-Selle 1997 verwirklichte. Schnell stand für die drei die optimale Besetzung fest. Denn das Team hatte vorher schon mit Sabine Postel, die ebenfalls in Bremen spielende Serie „Nicht von schlechten Eltern gedreht“. „Ich weiß gar nicht mehr, ob zuerst die Figur oder erst die Schauspielerin da war“, sagt Bernhard Gleim, mittlerweile Serienchef beim NDR. Den Bremer Tatort sieht er als Institution. „Die Fälle fallen auf. Es ist nicht so wie bei anderen Produktionen aus kleinen Sendeanstalten, die dann im langweiligen Nichts verschwinden.“

Dabei stellt der Bremer Tatort neue Maßstäbe auf. Es geht auch mal um Satanismus, tote Kinder werden in Tenever gefunden. Die Folge „Abschaum“ geriet in die Debatte, weil am Ende 14 Tote auf der Strecke blieben.Es gebe zwar immer wieder Leute, die kritisierten, dass Bremen in den Tatorten nicht so gut wegkomme, aber das sieht Annette Strehlow anders: „In jedem Film gibt es kleine Liebeserklärungen an die Stadt.“

Es gehört dabei zum festen Konzept jeder Tatortfolge, dass die Orte, an denen die Kommissare ermitteln, für den Zuschauer wieder zu erkennen sind. Die Bremer Produktionen waren schon fast überall: in der Böttcherstraße, im Weserstadion, im Bürgerpark. „Na klar ist der Tatort ein Aushängeschild für Bremen – und Inga Lürsen ist es natürlich auch“, sagt Annette Strehlow.

Gemeinsam mit der Schauspielerin Sabine Postel hat sie die Figur gestaltet. Vor allem die Folge „Schatten“, in der die Kommissarin mit ihrer eigenen Vergangenheit im Umfeld eines Terroristen konfrontiert wird, habe zur Festigung von Inga Lürsens Biografie beigetragen, erklärt Annette Strehlow. Auch so eine Geschichte passe nach Bremen. Immer im Gespräch mit den verschiedenen Autoren der Tatort-Bücher gestaltet sie weitere Details des Kommissarinnen-Lebens. Dazu gehören auch Brüche im Leben der Kommissarin. „Ich weiß nicht, wie Inga in ein paar Jahren aussieht“, sagt Annette Strehlow. Kann sie sich irgendetwas nicht in der Biografie „ihrer“ Kommissarin vorstellen? Da braucht die Frau von Radio Bremen gar nicht lange überlegen: „Nein, das wäre ja schade bei dieser interessanten Figur.“

kay müller