Wirtschaftsexperte über Konjunkturflaute: „Rezept für eine Rezession“

Der Wirtschaft geht es schlecht, weil der Staat spart, warnt Ökonom Gustav Horn. Der Staat müsse in die sozial-ökologische Transformation investieren.

Baustelle eines großen Wohnhauses. Es dämmert.

Mehr öffentliche Investitionen in den Wohnungsbau könnten die Konjunktur ankurbeln, Baustelle in Leipzig Foto: Sebastian Willnow/dpa

taz: Die Bundesregierung senkt ihre Prognose. Für dieses Jahr geht sie nur noch von einem Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent aus, statt 1,3 Prozent wie noch im Herbst. Wie dramatisch ist die konjunkturelle Lage?

Der 69-jährige ist Ökonom und leitete als wissenschaftlicher Direktor von 2005 bis 2019 das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

Gustav Horn: Die Lage ist kritisch. Die deutsche Wirtschaft dümpelt schon längere Zeit vor sich hin. Im vergangenen Jahr ist sie bereits um 0,3 Prozent geschrumpft. Das schwächt nicht nur unsere Wohlstandsvermehrung, sondern belastet auch den Arbeitsmarkt. Es birgt auch die Gefahr größerer Verteilungskonflikte, da sich dadurch der Handlungsspielraum des Staates einengt.

Sehen Sie langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in Gefahr, wenn nicht schnell gehandelt wird?

Wenn wir jetzt nicht in die sozial-ökologische Transformation investieren, dann wird Deutschland im globalen Wettbewerb zurückfallen. Je länger wir die dafür notwendigen Investitionen aufschieben, desto schwieriger wird es uns später fallen, im globalen Wettbewerb mitzuhalten. Das wird Wohlstand und hochwertige Arbeitsplätze kosten.

Sehen Sie die industrielle Substanz in Gefahr?

Die Industrie ist eigentlich die Stärke der deutschen Wirtschaft. Dafür müssen aber auch die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Und dazu gehören bezahlbare Energie und modernste Technologie.

Was ist der Grund für die Flaute?

Die hohen Zinsen belasten die privaten Investitionen.

Das gilt aber auch für andere Länder, die wirtschaftlich deutlich besser dastehen als Deutschland.

In Deutschland kommt hinzu, dass die Finanzpolitik sehr restriktiv ist. Das heißt, der Staat kürzt trotz einer schwachen Konjunktur seine Ausgaben – ein Rezept für eine Rezession. Das belastet zusätzlich die Wirtschaft und verringert die Einkommen der Menschen.

Welche Auswirkungen hat diesbezüglich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse?

Schon vor dem Urteil hat die Ampel gespart. Nach dem Urteil hat sie nochmal massiv den Rotstift bei ihren Ausgaben angesetzt. Das ist eine deutliche Belastung für die Konjunktur.

Ist die Schuldenbremse dann schuld an der Lage?

Die Schuldenbremse muss reformiert werden. Sie gefährdet die langfristige Entwicklung der deutschen Wirtschaft. Sie belastet auch private Investitionen, weil sich die Bundesregierung durch sie selbst beschränkt und deswegen Unsicherheit über ihren wirtschaftspolitischen Kurs herrscht. Stattdessen müsste der Staat jetzt mit Ausgaben Investitionen anregen und so die Konjunktur ankurbeln. Das ist zukunftsträchtiger als ein ausgeglichener Haushalt.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) haben sich jüngst für Steuersenkungen für Unternehmen ausgesprochen. Lindner hat die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags ins Spiel gebracht. Wären das Maßnahmen, die Investitionen und Konjunktur ankurbeln könnten?

Nein. Solche Steuersenkungen mit der Gießkanne würden vermutlich nur sehr wenig bringen. Schließlich sind sie auch nicht zielgerichtet.

Was würden Sie stattdessen vorschlagen?

Deutlich stärker die Konjunktur anregen würden öffentliche Investitionen. Der Wohnungsbau würde sich da besonders anbieten, weil dort der Bedarf besonders hoch ist. Wenn die Bundesregierung für Unternehmen die Steuern senken will, dann müsste sie das zumindest an Bedingungen knüpfen. Zum Beispiel, dass die betreffenden Unternehmen in klimafreundliche Technologien investieren. Damit würde sichergestellt, dass die Steuersenkungen auch zu zukunftsträchtigen Investitionen führen. Gleichzeitig müsste aber auch gewährleistet werden, dass vor allem die Kommunen nicht zu stark durch die Steuersenkungen belastet werden. Gegebenenfalls müsste die Ampel-Regierung sie für etwaige Steuerausfälle entschädigen.

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