Interview zu Queerfeindlichkeit: „Dankbares Feld, um Stimmung zu machen“

Mika Pérez Duarte untersucht, wie rechte Medien Queerfeindlichkeit verbreiten – und wie die übrige Presse in Deutschland dabei mitmacht.

Eine Progressive Pride Flag liegt auf dem Boden einer Straße

Die Verrohung des Diskurses spiegelt sich in der Zunahme von Hassgewalt Foto: Christoph Hardt/imago

taz: Mika Pérez Duarte, mit Ihren Kol­le­g*in­nen vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e. V. (apabiz) haben Sie Queerfeindlichkeit in der extrem rechten Publizistik in Deutschland untersucht. Welche zentralen Narrative konnten Sie dabei finden?

arbeitet beim Antifaschis­tischen Presse­archiv und Bildungszentrum e. V. (apabiz). Die apabiz-Publikationsreihe „magazine“ untersucht seit 2018 die zentralen Diskurse rechter Periodika, diesmal: Queerfeindlichkeit.

Mika Pérez Duarte: Wir haben uns die 2022 und 2023 erschienen Ausgaben von rechten Medien wie Compact, Junge Freiheit, Sezession und weitere angeschaut. Sie alle verbindet das Narrativ des Kinder- und Jugendschutzes. Demnach stellen Queers eine vermeintliche Gefahr dar, weil sie eine Vielfalt von Geschlecht und Sexualität präsentieren. Allein das Wissen über diese Vielfalt würde Kinder und Jugendliche schwul, lesbisch oder trans machen. Dahinter steckt die Angst vor dem Verlust der traditionellen Familie, die Vater, Mutter und Kind umschließt. In der Wahrnehmung von extremen Rechten wäre dieser Verlust für den deutschen Volkskörper verheerend, weil sich das Volk nicht weiter etablieren könnte und seine Eindeutigkeit verlieren würde. Besonders Transgeschlechtlichkeit wird als „Krankheit“ oder als „Gift“ für die Gesellschaft bezeichnet. Außerdem gibt es das Narrativ, dass Transgeschlechtlichkeit eine Gefahr für Frauen in Schutzräumen darstellen würde. Transpersonen werden als gewalttätig dargestellt. Tatsächlich erfahren sie häufiger Gewalt als andere.

Welche Themen nehmen diese Zeitschriften zum Anlass, um queerfeindliche Narrative aufzugreifen?

Die Sprachdebatten zum Thema Gender sind uns allen bekannt. Eine selektive Thematisierung gab es auch im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft der Männer in Katar und der Regenbogenfahne auf dem Spielfeld. Weitere Anlässe waren die Ehe für alle und die Gegenaktion der Identitären Bewegung und der AfD zum Christopher Street Day unter dem Hashtag „Stolzmonat“. Au­to­r*in­nen pickten außerdem Kinderbücher heraus, die geschlechtliche Vielfalt thematisieren. Zuletzt war das Selbstbestimmungsgesetz und die Bundestagsdebatten fast wöchentlich ein Thema.

Welcher Stilmittel bedienen sie sich dabei?

Ein Stilmittel, vor allem in der Compact, sind Vergleiche mit dem Nationalsozialismus. In einem Artikel wird zum Beispiel LGBTIQ* mit der NSDAP in einen Satz gebracht, um Gleichstellungsmaßnahmen als totalitäre Umerziehung zu rahmen. Dazu wird unterstellt, dass die Untersuchung potenzieller Samenspender, wenn gleichgeschlechtliche Paare Kinder bekommen, an Eugenik erinnere. Insgesamt zeichnet sich ein hohes Maß an Desinformation ab. Vermeintliche Fakten werden als Belege präsentiert.

Queere Themen werden traditionell links verortet. Woher kommt die Obsession der Rechten?

Leider ist die Konstruktion eines Feindbildes von Queers derzeit ein dankbares Feld, um Stimmung zu machen und Zustimmung zu erfahren. Die extreme Rechte sucht ständig nach Wegen, um im Gespräch zu bleiben. Gendern zum Beispiel ist ein heiß diskutiertes Thema in der Gesellschaft. Sie profitiert davon, dass die übrige Presse mitunter unsensibel, überzeichnet und an traditionalistischen Werten orientiert diskutiert. Zwar berichten liberalere Medien weniger menschenfeindlich, aber die Narrative des Kinder- und Frauenschutzes oder der Bewahrung von Familienwerten finden sich auch dort. Die Thematisierung von Queerness durch die extreme Rechte ist jedoch nicht neu. Die Ablehnung einer pluralistischen Ausgestaltung von Liebe, Sexualität und Geschlechtsidentität fußt für die extreme Rechte in Deutschland letztlich im Nationalsozialismus.

Welchen Effekt hat diese Thematisierung der extrem rechten Publizistik auf die Gesamtgesellschaft?

Ihnen gelingt es damit anzustacheln. Konservative oder rechte Milieus greifen die Narrative auf, um für sich zu werben. Die Verrohung des Diskurses spiegelt sich in der Zunahme von Hassgewalt. Gerade hat Brandenburg neue Zahlen vermeldet: Die Zahl der queerfeindlichen Vorfälle hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt.

Wie lässt sich queerfeindlichen Narrativen entgegensteuern?

Die extreme Rechte lehnt frühzeitige Aufklärung, einen Sexualkundeunterricht, der Vielfalt beinhaltet, ab. Das macht die Menschen später empfänglicher für eindeutige Feindbilder. Solange Weltbilder noch nicht geschlossen sind, kommen wir mit Diskurs voran. Die Analyse extrem rechter Publizistik ist unser Beitrag dazu.

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