Sportler unter sich: Kacheln zählen

Nach jahrelanger Sanierungspause hat die Hamburger Alsterschwimmhalle wieder geöffnet. Endlich wieder schwimmen auf der 50-Meter-Bahn!

Illustration: zwei Schwimmer ziehen ihre Bahnen

50 Meter freie Bahn Illustration: Jeong Hwa Min

HAMBURG taz | Es schimmert himmelblau, lila und orange durch die Fenster der hochaufragenden Dachkonstruktion. Wie ein riesiges Aquarell leuchtet Hamburgs größtes Hallenbad in der Dunkelheit. Die Schwimmhalle, die direkt an der viel befahrenen Straße zwischen Alster und Elbbrücken liegt, schafft es, selbst an diesem verregneten Freitagabend einladend auszusehen. Fahrradtasche über die Schulter geworfen und schnell rein da.

Die Alsterschwimmhalle wurde erst vor Kurzem nach drei Jahren Komplettsanierung wieder eröffnet. Als die Halle vor 16 Jahren schon einmal saniert wurde, tauchte irgendwann über dem Haupteingang ein riesiges Plakat auf, auf dem „Quäl Dich“ stand. Jetzt sieht es im Eingang eher aus wie in einer Hotellobby, mit Sofas und so. Aber noch immer gilt für das Gebäude: form follows function.

Die unter Denkmalschutz stehende Dachkonstruktion besteht aus zwei aneinander gelehnten Spannbetonschalen, die weit über die Glasfassade hinausragen. Die Form erinnert an die Schwanzflosse eines abtauchenden Wals. Während der letzten Sanierung war diese Dachkonstruktion, die auf nur drei Punkten ruht, das einzige, was stehenblieb. Alles andere wurde weggerissen und komplett neu aufgebaut. Mehr als 80 Millionen Euro hat das gekostet.

Drinnen wartet das Herzstück: das größte 50-Meter-Hallenbad-Becken der Stadt. Schwimmbrille auf und hineingleiten, nach etwa der Hälfte der Strecke wird es tief, tiefer, am tiefsten. Irgendwo da unten ist der geflieste Boden. Es dauerte mehr als zehn Tage, die rund 4,5 Millionen Liter Wasser hier reinfließen zu lassen. Hält man in der Mitte des 50-Meter-Beckens inne und lässt sich bäuchlings treiben, fühlt es sich beinahe so an, als schaukele man auf dem Meer. Jedenfalls dann, wenn der Sommer so fern ist wie jetzt und die Sehnsucht nach der Freiheit im Meer so groß. Na ja, und wenn man die anderen Hamburger Schwimmbäder kennt.

Quietschende Kinder

Im großen Becken geht es bis auf 4,50 Meter runter. In vielen anderen Bädern der Stadt mit ihren 25-Meter-Becken kann man jederzeit die Füße auf den Boden sinken lassen und sich hinstellen. Machen auch viele, unterhalten sich, werfen ihre quietschenden Kinder durch die Luft oder stehen einfach nur so im Weg rum.

Auch wenn das „Quäl Dich!“-Plakat lange fort ist: Zehn Bahnen, zehn Startblöcke, in der Alsterschwimmhalle geht es im großen Becken immer noch um Sport, um das stoische Bahnen ziehen, Kacheln zählen, so nennen die Profis das auch manchmal. Hier trödelt kaum einer quer durchs Becken, keiner kreischt und die wenigen Unterhaltungen verlieren sich in der riesigen Halle.

Früher, vor der Komplettsanierung, fiel der Blick beim Doppelzug-Kraulen abwechselnd auf die 250 Menschen fassende Tribüne hoch oben und auf die große Anzeigetafel für Wettkämpfe gegenüber. Es fiel ganz leicht, sich vorzustellen, wie die Atmosphäre bei ausverkauftem Haus sein würde, wie die Stimmen der Zuschauer in der Halle aufsteigen – und so angefeuert in Gedanken schwamm ich gleich ein bisschen schneller. Franziska van Almsick ist hier bei den Deutschen Meisterschaften 1998 vom Startblock gesprungen. Im Oktober 2013 fand in der Alsterschwimmhalle das Auftaktspiel der Wasser World League statt.

Heute fehlt die Tribüne, die ist der Sanierung zum Opfer gefallen. Stattdessen gibt es nun ein extra Becken für den Drei- und den Fünf-Meter-Sprungturm, ein extra 25-Meter-Becken, ein Schwimmenlernbecken und in der oberen Etage ein Fitnessstudio sowie ein langgezogenes Becken mit sehr warmem Wasser gefüllt. In dem kann man die Arme über den Beckenrand hängen und unten den Leuten im 50-Meter-Becken beim Bahnenziehen zuschauen.

„Schwimmoper“ sagt keiner

Immer wieder ist zu lesen, dass dieser elegante Koloss von den Hamburgern „Schwimmoper“ genannt werde. Nein, sogar „liebevoll Schwimmoper“ genannt werde. Ich hab das noch nie jemanden sagen hören, ich habe aber auch noch nie jemanden „Telemichel“ sagen hören, so nennen die Hamburger angeblich „liebevoll ihren Fernsehturm“.

Die Besonderheit

Eine 50-Meter-Bahn in der Halle gibt es in Hamburg selten – im Familienbad Ohlsdorf ist noch eine, dort steht aber noch ein Sprungturm am Beckenrand, und es gibt auch nicht so viele Bahnen. Auch Freibäder mit 50-Meter-Becken werden seltener. Es schwimmt sich aber besser auf der langen Strecke, weil man nicht so oft wenden muss.

Die Zielgruppe

Alle, die den Charme der 1970er in neuem Gewand mögen. Beim Neubau wurden sogar die alten orangefarbenen Kacheln neu hergestellt und wieder verbaut. Wirklich hübsch ist das.

Hindernisse auf dem Weg

Es ist teuer. Eine Tageskarte für Erwachsenen kostet zweistellig. Das ist und bleibt ein Problem der städtischen Bäder in Hamburg, aber nicht nur dort.

Jedenfalls mögen die Hamburger die Alsterschwimmhalle, das kann als gesichert gelten. Als zu Beginn des Jahrtausends laut über eine Schließung des Bades diskutiert wurde, protestierten sie, wollten das Schwimmbad behalten. Es wurde dann im Sommer 2007 für rund eine Million Euro instand gesetzt.

Von der Idee bis zur Eröffnung der Alsterschwimmhalle dauerte es 17 Jahre. 1956 wurde bekannt, dass das 1943 von alliierten Bombern zerstörte Hallenbad am Berliner Tor durch einen Neubau ersetzt werden sollte. 1968 begannen die Hamburger Wasserwerke als Bauherr mit den Bauarbeiten, und als die Alsterschwimmhalle am 19. Januar 1973 eingeweiht wurde, hatte das Projekt statt der veranschlagten 25 Millionen Mark 36 Millionen Mark gekostet. Noch ein bisschen Namedropping: Mike Krüger hat während seiner Lehre als Betonbauer auf der Baustelle gearbeitet.

Das Hamburger Abendblatt nannte die neue Schwimmhalle mit dem Zehn-Meter-Sprungturm, der sich hoch über dem Becken unter die Flossendecke geschmiegt hat, damals ein „Juwel aus Glas, Stahl und Beton“. Und irgendwie stimmt das auch heute noch.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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