Gesetz zur künstlichen Intelligenz: Neue Technologie, neue Überwachung

Der AI Act ist beschlossen. Das überwachungs- und wirtschaftsfreundliche Ergebnis ist kein Zufall. Doch es ist gut, dass das Regelwerk jetzt durchkam.

Ein Messebesucher geht an einem Leuchtdisplay auf der CeBIT vorbei

Das neue EU-Gesetz zu künstlicher Intelligenz ist vor allem überwachungs- und wirtschaftsfreundlich Foto: Peter Steffen/dpa

Endlich: Drei Jahre nach dem ersten Vorschlag hat das EU-Parlament den AI Act, das europäische Regelwerk für künstliche Intelligenz (KI), beschlossen. Dass es dazu kommt, war nicht ausgemacht. So kamen sogar noch nach Abschluss der Verhandlungen zwischen EU-Parlament, Kommission und Mitgliedstaaten Begehrlichkeiten für eine Aufweichung der Regeln auf und wurden teilweise – siehe lockerere Regeln für biometrische Massenüberwachung – durchgesetzt. Nicht nur einmal stellte sich die Frage: Sind aufgeweichte Vorgaben besser oder gar keine?

Angesichts der politischen Großwetterlage, die Argumenten wie „nationale Sicherheit“ zunehmend Gewicht gibt, muss man sagen: Das Ergebnis ist wahrscheinlich besser als das, was bei einem neuen Anlauf nach der Europawahl verhandelt werden würde. Denn für die zeichnet sich eine Kräfteverschiebung nach rechts ab. Und gar keine Vorgaben sind meist keine gute Option. Das zeigt schon der Aufwand, den es erfordert, die über regelarme Jahre gewachsene Marktmacht der Tech-Konzerne zumindest ein bisschen einzuhegen.

Dennoch: Der AI Act und der Weg dorthin machen auch strukturelle Probleme bei der EU-Gesetzgebung deutlich. Denn das überwachungs- und wirtschaftsfreundliche Ergebnis ist kein Zufall. Es ist auch die Folge einer Verhandlungssituation, in der Wirt­schafts­ver­tre­te­r:in­nen gegenüber anderen Gruppen, etwa Verbänden aus der Zivilgesellschaft, privilegiert sind. So fanden laut dem Verein Lobbycontrol im vergangenen Jahr 78 Prozent der Treffen von hochrangigen Kommissionsbeam­t:innen zum Thema KI mit Unternehmen oder Wirtschaftsverbänden statt. Auch in stimmstarken Mitgliedstaaten wie Deutschland und Frankreich sind die Drähte kurz: In Deutschland hat das KI-Start-up Aleph Alpha gute Kontakte bis auf Ministerebene, in Frankreich sieht es bei dem KI-Start-up Mistral ähnlich aus.

Noch eine Chance auf Linderung

Die geringere Repräsentanz der Zivilgesellschaft wirkt sich auch in Sachen Bürgerrechte aus: Das – noch – verhältnismäßig bürgerrechtsfreundliche EU-Parlament setzt sich gegenüber den Überwachungsfans unter den Mitgliedstaaten nur schwer durch. Die neuen Befugnisse von Echtzeit-Gesichtserkennung bis zu weitgehenden Ausnahmen beim KI-Einsatz für Zwecke der nationalen Sicherheit und Strafverfolgung erzählen davon. So gilt am Ende wieder die von Kameras bis Smartphones bekannte Formel, nach der jede neue Technologie gleich eine ganze Welle an Überwachung nach sich zieht.

Es gibt noch eine kleine Chance auf etwas Linderung: Der AI Act lässt den Mitgliedstaaten ein paar wenige Spielräume. Der deutsche Gesetzgeber kann und sollte sie nutzen, um der KI-basierten Überwachung so weit wie möglich Grenzen zu setzen.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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