Neue Anlaufstelle

Mehr Unterstützung für Opfer von Arbeitsausbeutung geplant

Die zumeist aus dem Ausland stammenden Opfer von Arbeitsausbeutung auf Berlins Baustellen oder in der Gastronomie sollen besser unterstützt werden. Der Senat will dazu eine „Betreuungs- und Unterbringungsstelle“ für betroffene Menschen einrichten, wie Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe am Donnerstag im zuständigen Fachausschuss des Abgeordnetenhauses ankündigte. „Die Betroffenen von Arbeitsausbeutung sollen – soweit erforderlich – sicher untergebracht werden und Betreuung aus einer Hand erhalten“, umriss die SPD-Politikerin die Aufgaben der neuen Anlaufstelle.

„Unterstützungsstrukturen und Opferschutz für Betroffene in Berlin müssen wir verbessern“, sagte Kiziltepe. Denn illegale Beschäftigung und Ausbeutung, also die „hässliche Seite des Arbeitslebens“, seien ein großes Problem und keine Einzelfälle. „Wir kennen das auch in Berlin aus den Medien: Arbeitskräfte leben in schimmeligen Arbeitsunterkünften, arbeiten unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen und erhalten ihre Löhne nicht.“

Gerade Menschen aus anderen Kulturkreisen mit oft fehlenden Sprachkenntnissen würden ausgenutzt und übervorteilt. Hilfe für betroffene solcher Arbeitsausbeutung, die teils von Menschenhändlern nach Deutschland gebracht werden, seien besonders zeitintensiv. „Dazu gehört auch, Menschen vor Repressalien der Arbeitgeber zu schützen und sie sicher unterzubringen.“ Für die neue Stelle laufe gerade das Vergabeverfahren, das voraussichtlich im Mai abgeschlossen sei.

Fallzahlen nehmen zu

Nach Angaben des Hauptzollamts Berlin nehmen Fallzahlen und Ermittlungsverfahren im Hinblick auf Arbeitsausbeutung zu. 2023 Jahr seien mehr als 5.000 Hinweise eingegangen, denen die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Amtes nachgegangen sei, schilderte Normen Siegismund von der Behörde bei einer Anhörung im Ausschuss. Das Problem: Arbeitsausbeutung sei oft schwer nachzuweisen.

Einen Schwerpunkt solcher Machenschaften bilde das Gastgewerbe. Siegismund nannte ein aktuelles Beispiel aus der Branche, mit dem seine Behörde in Berlin zu tun habe. Beschäftigte hätten eine 72-Stunden-Woche und erhielten dafür weniger als die Hälfte des Mindestlohnes. Dieser liegt in Deutschland bei 12,41 Euro brutto pro Stunde. Die Betroffenen mussten demnach unter menschenunwürdigen Bedingungen in einem Keller auf Isomatten schlafen. Der Arbeitgeber habe ihnen ihre Pässe abgenommen.

Neben dem Gastgewerbe gibt es noch andere Branchen, in denen Arbeitsausbeutung oft vorkommt. Fachleute zweier Beratungsstellen nannten in der Anhörung zuallererst das Baugewerbe, aber auch Gebäudereinigung, Lkw-Transportfirmen, bestimmte Hilfsjobs in der Leiharbeit oder – etwa in Brandenburg – die Landwirtschaft.

Benjamin Luig von der DGB-Stelle „Faire Mobilität Initiative Faire Landarbeit“ sagte, Großbaustellen in Berlin seien heutzutage ohne Beschäftigte aus Rumänien oder anderen Staaten Südosteuropas praktisch undenkbar. Allzu oft würden diese ausgebeutet. Die Liste sei lang: unbezahlte oder prekäre Löhne, ungerechtfertigte Kündigungen, keine Krankenversicherung und Absicherung bei Arbeitsunfällen. Etliches davon sei strafrechtlich relevant.

Ähnlich äußerte sich Philipp Schwertmann vom Berliner Beratungszentrum für Migration und gute Arbeit (Bema), das Arbeitnehmer in prekären Lebens- und Arbeitssituationen unterstützt, ihre Rechte wahrzunehmen. Menschenhändler und Unternehmer gingen oft mit hoher krimineller Energie vor. Seine Stelle habe allein 2023 rund 3.900 Menschen beraten, allerdings sei es dabei nicht nur um Arbeitsausbeutung gegangen. Die Initiative habe 2023 dabei geholfen, dass mehr als 127.000 Euro an zunächst zurückgehaltenen Löhnen doch noch ausbezahlt wurden. (dpa)