Kandidat der falschen Seite

Eignet sich ein Gesundheitsexperte mit Fronterfahrung in medizinischen Krisengebieten als Weltbankchef? „Jim Yong Kim passt viel besser als der Handelspolitiker Robert Zoellick“, sagt Peter Wahl von der Organisation Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung. An ihm sei nichts auszusetzen. „Außer, dass er der Kandidat der USA war.“ Mit der Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala war bis zuletzt auch eine Kandidatin aus einem Entwicklungsland im Rennen um die Nachfolge des scheidenden Bankchefs Zoellick. Die Wahl Kims war am Montag dennoch Formsache.

Im Wahlkomitee der wichtigsten internationalen Entwicklungsbank haben die USA und Europa die Mehrheit, obwohl dies nicht mehr ihrer wirtschaftlichen Bedeutung entspricht. Sie nutzten das stets, um den Posten mit einem US-Amerikaner zu besetzen. Kim ist deshalb nun in einer skurrilen Situation – obwohl der US-Amerikaner aus Südkorea stammt: Viele Entwicklungsexperten loben das Lebenswerk des 52-Jährigen, kritisieren aber trotzdem seine Wahl.

Kim ist seit 2009 Dekan am Dartmouth-College in New Hampshire. Schon während seines Medizinstudiums beschäftigte er sich mit einer auch für die Ärmsten erschwinglichen Behandlung von Tuberkulose. Mit vier Kollegen gründete er 1987 die Organisation Partners in Health. Sie baut in zwölf Ländern lokale Stationen zur Bekämpfung von HIV und Tuberkulose auf und setzt dabei vor allem auf lokale Arbeitskraft, was Experten wie Wahl gut finden. In Kims Zeit als Chef der HIV-Abteilung der Weltgesundheitsorganisation erhielten drei Millionen Bedürftige Zugang zu antiretroviralen Medikamenten.

Ökonomen kritisieren, dass der Mediziner kein Wirtschaftsexperte ist, etwa für Rohstoffspekulationen. Für Peter Wahl ist das nicht das größte Problem: „Bisher konnte ohnehin kein Präsident den Kurs der Bank durch seine persönliche Expertise ändern.“ Entscheidend sei, wer sich im Exekutivrat durchsetzen könne. Dort zählten bislang vor allem die Interessen der USA – zuletzt etwa die Privatisierung der Gesundheitssysteme in vielen afrikanischen Ländern. „Kim muss beweisen, dass er dagegen angehen kann.“ KAREN GRASS