Singen übers Geld

Die Choreografin Sheena McGrandles zeigt im HAU die Oper- & Folk Dance-Hybride „Mint“ über die Macht des Geldes

Von Tom Mustroph

Die Alte Münze ist wieder einmal in vieler Munde. Der Gebäudekomplex der früheren Münzprägeanstalt soll nicht mehr, wie in langen Beteiligungsprozessen geplant, direkt der freien Kulturszene zugutekommen, sondern – mit dem Argument von Haushaltskürzungen – bestenfalls über den Umweg eines Privatinvestors. Das drohende Szenario: Weniger Kulturetat macht freie Kunst dann teurer – oder lässt sie vollends verschwinden.

Als hätte Sheena McGrandles solcherart Turbulenzen geahnt, macht die nord­irische Choreografin nun eine Oper zu dem Zusammenhang von Kunstproduktion, Geld und Klassenverhältnissen. „Mint – An Opera about Money“ nennt sie ihre neueste Produktion, die ab 24. März im HAU läuft. „Mint“ heißt Münzanstalt auf Englisch, der zweite Teil des Titels ist selbsterklärend.

„Es geht mir um ein Verständnis darüber, welchen Einfluss Geld auf unseren Alltag hat, vor allem als ein ersehntes Objekt“, erklärt McGrandles der taz. Dazu choreografiert sie Miniszenen, etwa um einen Menschen, der mit einem Metalldetektor nach Münzen sucht, oder auch um ein spielendes Kind und um eine Version der Glücksgöttin Fortuna.

Auf das Thema ist McGrandles durch ihr Erstaunen darüber gekommen, dass in der freien Kunstszene in Deutschland vergleichsweise wenig über Geld gesprochen wird. „Die Leute reden nicht darüber, wie sie überleben. Die meisten von uns sind arme Künstler. Aber kaum jemand spricht über seinen Hintergrund, ob sie vielleicht ihre Eltern anrufen können, wenn sie Geld brauchen, wer ihre Wohnung finanziert und so weiter. Und da begann ich verstärkt über Klasse und Klassenverhältnisse nachzudenken“, erzählt sie.

Ihr Hintergrund ist ziemlich proletarisch, recht ungewöhnlich angesichts der Mittelklasse-Kids, die in der freien Szene oft den Ton angeben. „Ich komme aus einem kleinen Ort in der Nähe von Belfast. Meine Eltern mussten Schulden auf ihr Haus aufnehmen, damit ich Tanz in London studieren konnte“, berichtet sie.

Bei McGrandles kommt dann noch eine, man kann schon sagen, typisch irische Komponente hinzu: Ob in Folksongs oder Punk wie von den Pogues: Stets ist das Auflehnen gegen Obrigkeiten präsent, das Beschreiben vom alltäglichen Elend, der Zorn darüber und auch die Flucht in imaginäre Welten ein Thema. In „Mint“ verknüpft McGrandles diese Folktraditionen mit denen der Oberklassenkunst der Oper. Ein vierköpfiges und multiinstrumentales Kammerorchester schafft den Spagat zwischen Klassik, Folk und Grunge. Erzählt wird auch die Geschichte des Geldes, wie es in die Welt kam und Motor des großen Unterschiedemachers wurde.

Das Projekt ist eingebettet in die noch verhältnismäßig neue Programmreihe des HAU, die sich mit dem Motto: „Wem gehört die Welt“ den heutigen Klassenverhältnissen widmen will. Das Motto ist von Bertolt Brecht geborgt. Mit dem Komponisten Hanns Eisler und dem Filmregisseur Slatan Dudow prodzierte er vor 92 Jahren den proletarischen Film „Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt?“. Das erinnert daran, dass das Nachdenken über Klassenverhältnisse schon mal ausgeprägter war in dieser Stadt.

Die Belfasterin McGrandles bringt es wieder nach Berlin. Und sie wird auch nicht die düsteren Seiten aussparen, die der Mangel an Geld und die Fixierung darauf ganz konsequent mit sich bringt. Vier Tän­ze­r*in­nen zeitgenössischer Provenienz und ein echter Meister des Folk Dance werden neben den Mu­si­ke­r*in­nen auf der Bühne stehen. Und als angenehm darf man herausstellen, dass McGrandles nicht die seit einigen Jahren im Kunstbetrieb verbreitete Scham über das eigene Aufwachsen in den unteren Gesellschaftsschichten antreibt, sondern eine gehörige Portion Wut und auch Verblüffung darüber, dass das Thema so wenig bearbeitet wird.

24.–27. März, HAU