Neue Korruptionsvorwürfe in Oldenburg: Einmal gearbeitet, zweimal kassiert?

Bei der Sanierung des ehemaligen Oldenburger Fliegerhorstes gibt es neue Vorwürfe: Ein von der Stadt beauftragter Ingenieur soll doppelt kassiert haben.

Ein Gelände mit Erdhügeln und Grasflächen. Dazwischen stehen Fahrzeuge und Büro-Container.

Hiermit soll Christoph E. doppelt kassiert haben: ehemaliger Fliegerhorst Oldenburg Foto: Christina Gerlach

OLDENBURG taz | Der Internetauftritt von Christoph E. ist eher bescheiden. Auf wenigen Seiten beschreibt der promovierte Agrar­ingenieur aus dem Ammerland in blauer Schrift auf hellgrauem Grund sich selbst und die Leistungen seines Büros für Boden- und Grundwasserschutz: „Altlasten, Bodenkunde, Deponieabdichtung und Gerichtsgutachten“.

Das Geschäft läuft trotz der etwas sparsamen Internetpräsenz offensichtlich gut: Obwohl er schon das Ruhestandsalter erreicht hat, erarbeitet E. im Auftrag der Stadt Oldenburg Ausschreibungen zur Sanierung eines ehemaligen Militärgeländes, über das die taz bereits vor Kurzem wegen eines Korruptionsverdachts berichtete.

Nun zeigen sich auch bei Christoph E. Ungereimtheiten im Rahmen der Sanierung des Fliegerhorstes: Er soll nicht nur der Stadt, sondern auch dem ausführenden Unternehmen Rechnungen gestellt haben. Doppelt kassiert, beim Auftraggeber und beim Auftragnehmer.

Der ehemalige Oldenburger Fliegerhorst, 300 Hektar groß, wird zur „Smart City Hellerheide“ – einem neuen Stadtteil für 3.000 Menschen. Aber dort, wo bis 2006 Kampfflugzeuge dröhnten, liegen noch Munition und Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Boden ist zum Teil mit Öl, Flugbenzin und gefährlichen Schadstoffen verseucht.

Seit rund sieben Jahren wird die komplette Fläche nach und nach metertief abgegraben, gesiebt und wieder verfüllt. Es sind lukrative Aufträge mit langfristiger Perspektive für spezialisierte Abbruchunternehmen. Nach eigenen Angaben hat die Stadt Oldenburg bis Ende 2023 bereits 20 Millionen Euro nur für die Kampfmittelsondierung ausgegeben.

Der Ingenieur prüft, die Stadt zahlt

Der dafür zuständige „Fachdienst Projekt Fliegerhorst“ ist nun entgegen der Erwartung nicht im städtischen Bauamt angesiedelt, sondern bei der Wirtschaftsförderung – im Dezernat 1, direkt Oldenburgs Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) unterstellt. Weil aber der Abteilung offensichtlich die fachliche Expertise fehlt, wurde Christoph E.s Büro für Boden- und Grundwasserschutz engagiert.

E. bereitet die Vergaben für die Beseitigung der Altlasten und Kampfmittelsondierungen vor, überwacht die Arbeiten und prüft die Abrechnungen der Firmen auf Plausibilität. Das bestätigt die Stadt Oldenburg auf Anfrage der taz. Dazu soll er regelmäßig die bearbeiteten Flächen nach Länge, Breite und Tiefe vermessen sowie Drohnenaufnahmen des Geländes gemacht haben.

Die Stadt musste anschließend nur noch zahlen. Das tat sie, selbst wenn die Summen weit über dem jeweiligen Angebotspreis lagen. In einem Fall soll sich die ursprünglich vereinbarte Summe von drei auf fast sieben Millionen Euro mehr als verdoppelt haben – kontrolliert und geprüft vom eigens engagierten Sachverständigen. Die Stadtverwaltung erklärt dazu, zu solchen Nachträgen könne es „bei einem gesteigerten Umfang der Arbeiten und aufgrund des Vorhandenseins von zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht bekannter Stoffe im Boden oder Schadstoffen in Gebäuden“ kommen. Die Höhe werde im Einzelfall „über konkrete Nachweise“ ermittelt.

Baggerfahrer als Geldbote?

Der Rahmenvertrag der Stadt mit dem Sachverständigen soll in den vergangenen fünf Jahren im Umfang mehrerer Zehntausend Euro vergütet worden sein. Nur gibt es allerdings auch eine Rechnung, die E. außerdem dem von der Stadt beauftragten Abbruchunternehmen, einer Firma aus der Nähe von Soest in Nordrhein-Westfalen, gestellt hat und der taz vorliegt. 6.000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer werden dort pauschal im Jahr 2022 berechnet, für „Bauvermessung, Absteckung sowie Dokumentation (Luftbilder von den Baufeldern entsprechend des Baufortschritts) im B-Plangebiet N777E-Süd (Teil1) auf dem Gelände des Fliegerhorstes Oldenburg“.

Wie kommt das? E. will sich zu den Vorwürfen, beim Fliegerhorst doppelt kassiert zu haben, nicht äußern. Auch nicht, ob ihm das Abbruchunternehmen Anfang 2019 außerdem eine hochwertige Videodrohne geschenkt hat.

Die Spezialfirma aus Soest wird obendrein von einem Baggerfahrer beschuldigt, ihn mehrmals als „Geldboten“ benutzt zu haben. Das erklärte der gebürtige Österreicher im Rahmen von Ermittlungen der Osnabrücker Staatsanwaltschaft, die in Niedersachsen Zentralstelle für Korruptionsstraftaten ist. Er habe insgesamt 25.000 Euro in bar weisungsgemäß an einen Mitarbeiter des Fachdienstes Projekt Fliegerhorst übergeben, in Briefumschlägen in fünf Tranchen.

Volle Rechnung für halbe Arbeit

Seit dem vergangenen November ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn und den städtischen Fachdienstmitarbeiter. Es gäbe „divergierende“ Aussagen, heißt es zum Stand der Ermittlungen. Die Polizei war bereits mehrfach in den Diensträumen des städtischen Projektteams im ehemaligen Sanitätsgebäude am Rande des Oldenburger Fliegerhorstes.

Hinzu kommt nun auch noch: Laut einem Dokument, das der taz vorliegt, besteht der Verdacht, angeblich sanierte Flächen seien nicht mal halb so tief ausgebaggert worden wie von der Firma abgerechnet. Auch ist von „freihändigen“ Auftragsvergaben ohne jede Ausschreibung die Rede – etwa beim Abriss einer Turnhalle und eines Werkstattgebäudes, den der unter Korruptionsverdacht stehende Stadtamtsrat ohne Ausschreibung an das Abbruchunternehmen vergeben haben soll. Die Stadt bestreitet das.

Christoph E. ist weiter im Projekt tätig und die der Bestechung beschuldigte Firma hat sich bereits um einen neuen Auftrag beworben. Auf Anfragen der taz reagierte sie nicht.

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