Genderverbot von Österreich geklaut: Eh scho wissen

Bei rückschrittlichen Trends ist Österreich Deutschland weit voraus. Wie wär’s damit, aus Österreichs Schmarrn zu lernen, anstatt ihn zu kopieren?

Ein saftiges Schnitzel mit Zitrone und Pommes.

Davon sollte sich Deutschland eine Scheibe abschneiden: Schnitzel OHNE Soße Foto: imago

Bayern verbietet das Gendern. Dafür erntete Markus Söder Beifall von rechts, während in München vergangenen Sonntag Hunderte Menschen auf die Straße gingen, um gegen den Erlass zu demonstrieren. Als Österreicher kann ich hier nur sagen: „Eh scho wissen.“ Übersetzt: Alter Hut, kenn ich schon.

In Niederösterreich, dem Bayern Österreichs (größtes Bundesland und keiner mag’s), setzte Frau Landeshauptmann Johanna Mikl-Leitner von der ÖVP (Österreichische Volkspartei) bereits vergangenen Sommer ein Genderverbot durch. Das brachte ihr auch einiges an Häme ein, die österreichische Satire-Plattform die Tagespresse titelte etwa: „Verstoß gegen Genderverbot: St. Pöltner wird am Dorfplatz mit 30 Hieben ausgepeitscht“.

Zugegeben, Genderverbote gibt es auch schon in anderen deutschen Bundesländern wie Thüringen oder Sachsen, angestoßen von der CDU. Aber die Frage, ob die Idee fürs Genderverbot aus einem österreichischen oder einem deutschen rechtskonservativen Kopf stammt, ist wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei.

Niederösterreich, das Bayern Österreichs

Schneiden sich die Deutschen also mal wieder eine Scheibe von der Alpenrepublik im Süden ab? Österreich nachzuahmen ist nämlich selten eine gute Idee und immer mit Risiko verbunden, vor allem für Deutschland. Mal bekommt man Hitler (nicht gut), ein anderes mal Haydn (schon gut). Die deutsche Nationalhymne nämlich hatte Joseph Haydn eigentlich als österreichische Kaiserhymne komponiert.

Dennoch ist es schwer, das Gefühl abzuschütteln, dass meist nur Schlechtes aus Österreich nach Deutschland überschwappt. René Benko und die Signa-Krise habt ihr Deutschen euch ja auch bei uns Ösis eingetreten. Ähnlich verlief es auch damals mit Jan Marsalek und dem Wirecard-Skandal. Beides Beispiele, wo österreichische Wunderwuzzis wahnsinnig erfolgreich ein Unternehmen hochjazzen und Politiker und Medien in ihren Bann ziehen, nur um sich dann mit dem Schwanz zwischen den Beinen aus dem Staub zu machen, weil das gesamte finanzielle Konstrukt in sich zusammenfällt.

Sowohl Signa als auch Wirecard gingen insolvent und bei der Signa-Krise bleibt Deutschland jetzt zum Beispiel auf einem halb gebauten Elbtower sitzen. Ach, und Jan Marsalek, der wegen Bilanzfälschung und Börsenmanipulation international gesucht wird, ist vermutlich auch noch ein russischer Spion.

Worauf ich mit diesem Text appellieren möchte: Bitte, liebe Deutsche, lernt aus euren Fehlern und seid vorsichtiger damit, was ihr von uns Österreichern übernehmt. Eine gewisse Lernkurve ist wenigstens schon zu erkennen: Der rechtsextreme Vordenker Martin Sellner darf nicht mehr nach Deutschland einreisen. Das Konzept Einreiseverbot hätte man vor hundert Jahren schon mal auf einen anderen hetzenden Österreicher anwenden können. Aber besser spät als nie.

Schnitzel OHNE Soße

Der nächste Schritt in dieser Lernkurve wäre es, selektiv Dinge aus Österreich zu übernehmen (zum Beispiel das Schnitzel) und diese dann nicht zu verschlechtern (die Tunke zum Schnitzel ist ja wirklich eine Frechheit).

Oder vielleicht kann man ja sogar mal was verbessern. Ich denke da an die Ibiza-Affäre. Die Folge von der war es ja, dass die ÖVP-FPÖ-Regierung unter Sebastian Kurz gesprengt wurde, nachdem Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) auf Ibiza unter anderem die auflagenstärkste österreichische Privatzeitung an eine russische Oligarchin verkaufen wollte.

Strache war nach dieser in eigenen Worten „bsoffenen Gschicht“ weg vom Fenster und bei den folgenden Neuwahlen flog die FPÖ aus der Regierung. Lang gehalten hat das aber nicht: Unter Herbert Kickl ist die FPÖ erneut auf Erfolgskurs.

Was kann Deutschland daraus lernen? Man kann versuchen, ähnliche „Ausrutscher“ der FPÖ-Schwesterpartei AfD weniger schnell zu vergessen. Die Demo-Welle gegen rechts nach der Correctiv-Recherche zum Geheimtreffen in Potsdam war zwar ein gutes Zeichen, große Stimmenverluste für die AfD gab es aber nicht. Trotzdem, das Bewusstsein gegenüber den rechtsextremen Bestrebungen der AfD ist in weiten Teilen der Gesellschaft da. Wichtig wäre es, dass es nicht versandet, so wie es in Österreich in Bezug auf die korrupten Tendenzen der FPÖ geschah.

Nach dem Genderverbot ist vor dem Weißwurst-Gebot

Noch mal zurück nach Niederösterreich. Als dort das Genderverbot den Gedanken der dortigen schwarz-blauen Landesregierung entsprang, legte diese ein weiteres Ei: die Wirtshausprämie. Diese greift Betrieben finanziell unter die Arme, die „traditionelle und regionale“ Küche anbieten. Eine Prämie fürs Schnitzelhaus und nicht für den Kebab-Stand also.

Wenigstens davor müsste man in Deutschland nicht allzu große Angst haben, da der Döner Kebab ja bekanntlich 1972 in Berlin erfunden wurde. Obwohl, Kreuzberg ist ja nicht Deutschland, wenn man CDU-Chef Friedrich Merz Glauben schenken mag.

In diesem Licht werd ich wohl in nächster Zeit so oft wie möglich Kebab, Pizza und Co. essen müssen. Wer weiß, wie lange es noch dauert, bis irgendein rechter Landesfürst à la Markus Söder die Wirtshaus­prämie für sich entdeckt. Denn: Nach dem Genderverbot ist vor dem Weißwurst-Gebot. Ein Albtraum.

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