Neuer Bremen-„Tatort“: Alt aussehen im Wald

Im Tatort „Angst im Dunkeln“ geht es um drei Kinder, die ihre Mütter im Wald aussetzen. Das muss sich auch erstmal jemand ausdenken. Aber wozu?

Drei Teenager im Wald, das Mädchen macht ein Selfie von sich und den beiden jungen Männern

Die Teenager-Kinder Lily Seifert, Anselm Klem und Deniz Ömer machen schnell noch ein Selfie, als sie ihre Mütter im Wald aussetzen Foto: Radio Bremen/Claudia Konerding

Ein Geständnis vorweg: Ich schaue normalerweise keinen Tatort und bin deshalb ein Laie, was Krimis angeht. Als Kind habe ich mich am Sonntagabend gerne zwischen meine Eltern gekuschelt, die den deutschen Heiligtümern Lindenstraße und Tatort huldigten. Das ist lange her. Jetzt hab ich den Tatort Bremen, der am Oster­montagabend im Ersten ausgestrahlt wird, gesehen.

Ich hatte den Vorsatz, dem Tatort eine Chance zu geben. Vielleicht stimmt das Klischee, was sich in meinem Kopf festgesetzt hat, gar nicht, vielleicht wird es gar nicht so schlecht und peinlich wie erwartet.

Im Tatort „Angst im Dunkeln“ geht es um drei Kinder, die ihre Mütter im Wald aussetzen – quasi Hänsel und Gretel auf den Kopf gestellt. Eigentlich wollten die Mütter ihre Kinder im Wald aussetzen. Sie nennen das „Dropping“ und sehen darin eine erbauliche Maßnahme: Die Kinder sollen nur mit Zelt, Proviant, Kompass und Karte bewaffnet wieder aus dem Wald heraus finden. Aber weil das ein bisschen gefährlich sein könnte, wollten die Mütter es erstmal selbst ausprobieren. Der Versuch geht schief, eine von ihnen stirbt. Getötet, in der zweiten Nacht im Wald, wie die beiden Kommissarinnen schnell herausfinden.

Eine der Ermittlerinnen ist Liv Moormann (gespielt von Jasna Fritzi Bauer). Klein und burschikos trägt sie ihr Herz auf der Zunge: „Scheiß Wald“, murrt sie immer wieder – und wer möchte ihr da widersprechen. Ihre Kollegin Linda Selb (gespielt von Luise Wolfram) ist eher verhalten, will etwa ungern darüber reden, dass sie demselben Milieu der oberen Mittelschicht Bremens entstammt, aus dem sich auch das Opfer sowie einige der potenziellen Tä­te­r:in­nen rekrutieren.

Mit der Schusswaffe fuchteln

Dort, hinter den feinen Fassaden von Schwachhausen, liegt einiges im Argen, das wollen uns die Tatort-Macher:innen glauben lassen. Aber was sich dahinter auftut – Affären, Intrigen, Mobbing – wirkt so gestelzt und aufgesetzt, dass ich es aller guten Vorsätze zum Trotz nicht kaufen kann. Die Kinder hängen erst zusammen auf einem Rooftop ab und fuchteln irgendwann mit einer Schusswaffe herum.

Eine Gartenparty zu Ehren der Verstorbenen endet fast in einer Schlägerei. Das alles kommt leider gar nicht authentisch rüber, sondern eher, als hätte jemand eine Künstliche Intelligenz beauftragt, sich ein grün-bürgerliches Familiendrama zwischen Goethebüsten und Pianoflügeln auszudenken.

Immer wieder blendet der Film zur tödlichen Waldexpedition der drei Frauen zurück. Eine von ihnen wird dort von ihrem Liebhaber besucht, nur damit sie kurz rumknutschen können. Blöd nur, dass sie dabei beobachtet werden: What happens in the forest, doesn’t stay in the forest.

„Angst im Dunkeln“,

Mo., 20.15 Uhr, ARD

Wenn die Kinder sich nicht gegenseitig mit Pistolen bedrohen, sind sie irgendwie auch ständig im Wald, einmal um ihren Müttern Angst einzujagen und ihnen den Kompass wegzunehmen, dann wieder um sie zu suchen, weil es vielleicht keine gute Idee war, ihnen den Kompass wegzunehmen. Natürlich muss es dann noch eine Verfolgungsjagd im Wald geben. Zum Abschluss die dramatische Endszene in Slow Motion, hinterlegt mit gefühlvoller Musik – Bingo!

Ich kann mangels aktueller Vergleichswerte nicht einordnen, ob dieser Tatort eher besser oder eher schlechter als der Durchschnitt ist – hoffe aber auf letzteres. Mich ließ er mit einem dumpfen, unbehaglichen Gefühl zurück. Es war cringe.

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