Neuerliche Proteste gegen Netanjahu: Warum nicht mal Neuwahlen?

Er träumt vom „totalen Sieg“, doch bislang sieht alles nach Machterhalt und Planlosigkeit aus. Auf Netanjahu nimmt in Israel niemand mehr Wetten an.

Bilder der Demonstration von Sonntag.

Jerusalem am 31. März 2024: Netanjahus Gesicht trägt Blutspuren Foto: ap

Gemeinsam werden wir siegen“: Diese Parole ist seit dem Überfall der Hamas in Israel allgegenwärtig. Doch je länger sich der Krieg im Gazastreifen hinzieht, je öfter die Spannungen an der Grenze zum Libanon eskalieren, desto mehr zerfällt die israelische Einigkeit.

Das liegt nicht zuletzt an Regierungschef Benjamin Netanjahu selbst. Als sich am Sonntag in Jerusalem Zehntausende Demonstranten zum größten Protest seit Kriegsbeginn versammelten, ging er nicht etwa auf deren Kritik ein, sondern warf ihnen vor, der Hamas in die Hände zu spielen. Er zeigt damit einmal mehr, dass es ihm weniger um Einheit als um Mehrheiten und sein politisches Überleben geht.

Zur Wahrheit gehört, dass trotz der regierungskritischen Demonstrationen viele Israelis Umfragen zufolge weiterhin hinter dem Krieg stehen, solange noch Geiseln in Gaza festgehalten werden. Viele sehen trotz der humanitären Katastrophe und der Hungersnot im Gazastreifen Hilfslieferungen kritisch. Doch statt nach Gemeinsamkeiten und Lösungen zu suchen, hat sich Netanjahu darauf verlegt, Lager und Widersprüche gegeneinander auszuspielen.

Komplizierten Fragen weicht der Regierungschef aus: Wie lässt sich künftig die Sicherheit von Israelis und Palästinensern garantieren? Wie kann ein Weg zum Frieden nach dem 7. Oktober und dem brutalen Gegenschlag der israelischen Armee aussehen? Stattdessen gibt es seit Monaten die gleichen Parolen vom „totalen Sieg“, von dem bis heute nicht klar ist, wann dieser erreicht wäre und inwiefern er Israel langfristig Sicherheit garantieren kann.

Seit dem 7. Oktober sind die Umfragewerte der in Teilen rechtsextremen Regierungskoalition eingebrochen, sie haben sich bis zuletzt kaum erholt. Seit Monaten würde die Opposition eine Mehrheit im Parlament erzielen. Netanjahu hat es nicht nur verpasst, einen realistischen Weg aus dem Krieg aufzuzeigen, er hat auch massiv Rückhalt in der Bevölkerung verloren. Neuwahlen im Krieg wären eine Herausforderung für die israelische Gesellschaft, doch sie wären auch eine Chance.

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berichtet für die taz aus Israel und den palästinensischen Gebieten. Geboren 1989. Er hat Politik- und Sozialwissenschaften in Jena, Dresden und Kairo studiert und die Deutsche Journalistenschule in München absolviert. Ernst Cramer & Teddy Kollek-Fellow.

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