Verteidigungsminister stellt Pläne vor: Rang und schlank

Führungsstrukturen der Bundeswehr sollen gestrafft, eine neue Cyberstreitkraft geschaffen werden. Auch an eine Rückkehr der Wehrpflicht wird gedacht.

Boris Pistorius, deutscher Verteidigungsminister, spricht auf einer Pressekonferenz.

Während einer Pressekonferenz erklärt Boris Pistorius (SPD) die künftige Struktur der Bundeswehr Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN taz | Für die einen sind es schnöde Umstrukturierungen, für Boris Pistorius nicht weniger als der Aufbau einer „Bundeswehr der Zeitenwende“. Am Donnerstag stellte der Bundesverteidigungsminister in Berlin seine „richtungsweisende Reform“ für das deutsche Militär vor. Ziel sei es, die Bundeswehr so aufzustellen, dass sie „für den Ernstfall, den Verteidigungsfall, für den Kriegsfall optimal aufgestellt ist“, sagte Pistorius. Die Bedrohungslage in Europa habe sich verschärft. Es gehe darum, die Bereitschaft zur Landes- und Bündnisverteidigung „glaubhaft und wahrhaftig ausstrahlen“ zu können. „Ich benutze das Wort ‚kriegstüchtig‘ nach wie vor und regelmäßig.“

Der SPD-Politiker will die deutsche Armee schlanker, schneller und flexibler machen. Kernpunkt der Pläne, die im Wesentlichen innerhalb eines halben Jahres umgesetzt werden sollen, ist die Schaffung eines einheitlichen ­Operativen Führungskommandos. Hier soll das für die Landesverteidigung zuständige Territoriale Führungskommando mit dem Einsatzführungskommando für Auslandsmissionen zusammengeführt werden. Damit solle „die einheitliche Führung in allen Einsätzen der Bundeswehr garantiert“ werden, sie könnten also zentral gesteuert werden.

Für die Nato, die Bundesländer wie auch für Organisationen wie das THW gebe es dann zudem „eine zentrale Ansprechstelle“, sagte der Minister. Die getrennten Standorte der beiden Kommandos in Schwielowsee bei Potsdam und in der Berliner Julius-Leber-Kaserne sollen allerdings weiter bestehen bleiben.

Eine weitere größere Veränderung ist die Aufwertung des bisherigen Kommandos Cyber- und Informationsraum (CIR) zu einer eigenen vierten Teilstreitkraft neben dem Heer, der Marine und der Luftwaffe. Das CIR ist auf elektronische Kampfführung und Cyberoperationen, Aufklärung und den Schutz der elektronischen Infrastruktur spezialisiert. Neben der Sicherung von Bundeswehrnetzwerken vor Hackerangriffen gehe es auch um den Kampf gegen Desinformationskampagnen, so Pistorius. Von wachsender Bedeutung sei auch der elektronische Kampf im Gefecht etwa durch den Einsatz von Störsendern gegen Sprengfallen.

Mögliche Wehrpflichtmodelle bis April

Zudem wird ein neues Unterstützungskommando geschaffen, das allen Teilstreitkräften zuarbeiten soll. In ihm werden der Sanitätsdienst, die Logistik sowie die ABC-Abwehr, die Feldjäger, die Zivil-Militärische Zusammenarbeit (Cimic) und weitere zentrale militärische Dienststellen, wie das Planungsamt der Bundeswehr, gebündelt. In der Gesundheitsversorgung der Bundeswehr soll es künftig „einen Gesamtverantwortlichen geben“. Das Unterstützungskommando wird dem stellvertretenden Generalinspekteur der Bundeswehr unterstellt, der bei Konflikten über die Nutzung dieser Ressourcen entscheiden soll.

Daneben sollen dem Heer die Heimatschutzkräfte und der Luftwaffe das Luftfahrtamt der Bundeswehr zugeordnet werden. Darüber hinaus sollen im zivilen Bereich Aufgaben der Wehrverwaltung gebündelt werden. Streitkräfte und Wehrverwaltung sollen künftig vor allem in den Bereichen Personal, Material und Infrastruktur enger zusammenarbeiten. Dabei gehe es vor allem darum, dass im Verteidigungsfall die Rekrutierung von Wehrpflichtigen möglichst reibungslos organisiert werden kann.

Allerdings geht es Pistorius auch darum, Strukturen für eine eventuelle Reaktivierung der Wehrpflicht auch außerhalb des Spannungs- oder Ver­teidigungsfalls zu schaffen. Eine mögliche Rückkehr zu „einer wie auch immer gearteten Wehr- oder Dienstpflicht“ sei bereits „mitgedacht“ worden, räumte der SPD-Politiker ein. Diese Ent­scheidung werde aber erst später getroffen.

Aus Sicht von Pistorius war die Aussetzung des Zwangsmilitärdienstes 2011 ein Fehler. Die SPD hatte damals im Bundestag dagegen gestimmt. Bis Mitte April erwartet er aus seinem Haus ein Papier zur Machbarkeit verschiedener Modelle zur Wiedereinführung eines Pflichtdienstes. Anschließend wolle er einen Vorschlag in den politischen Raum geben. „Dann wird der Diskussionsprozess zeigen, wo wir rauskommen“, sagte Pistorius.

Personaloffensive der Bundeswehr stockt

Ob er sich bereits für eine bestimmte Variante entschieden hat, ließ der Sozialdemokrat am Donnerstag offen. In der Vergangenheit hat er jedoch schon häufiger betont, ein „Faible“ für das sogenannte schwedische Modell zu haben. Dabei sind alle Jugendlichen eines Jahrgangs verpflichtet, einen Fragebogen auszufüllen. Die Armee entscheidet dann, wen sie zur Musterung lädt. Von den Gemusterten muss wiederum nur ein kleiner Teil dann tatsächlich den Dienst antreten.

Ein Hintergrund seiner Überlegungen ist, dass die sogenannte Personaloffensive der Bundeswehr in den vergangenen Jahren nicht vorangekommen ist. „Die Bundeswehr altert und schrumpft“, hat die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, vor Kurzem konstatiert. Im Augenblick verfügt die deutsche Armee über rund 181.500 ­Soldatinnen und Soldaten. An dem Ziel, bis 2031 die Bundeswehr auf 203.000 Männer und Frauen anwachsen zu lassen, halte er zwar fest, betonte Pistorius. Ob das jedoch realisierbar sei, hänge aber beispielsweise auch davon ab, ob die Wehrpflicht wieder eingeführt werde.

Die jetzt vorgestellte Neuorganisation hat ihren Ausgangspunkt auf einer Bundeswehrtagung im vergangenen November, auf dem Pistorius unter der Überschrift „Kriegstüchtigkeit als Handlungsmaxime“ seine neuen verteidigungspolitischen Richtlinien ausgerufen hatte. Damals erteilte er Generalinspekteur Carsten Breuer und Staatssekretär Nils Hilmer den Auftrag, eine Arbeitsgruppe einzusetzen und Reformvorschläge auszuarbeiten.

Diese hat sich der Minister nun weitgehend zu eigen gemacht. Dabei verwies er mit sichtlichem Stolz darauf, dass für die Ausarbeitung der Vorhaben auf teure Beraterverträge verzichtet, sondern ausschließlich die „Expertise des Hauses“ genutzt worden sei. Das war wohl auch als kleiner Seitenhieb auf seine Vor­gän­ge­r:in­nen zu verstehen.

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