Russlands Kriegswirtschaft: Putin ruiniert sein Land

Die ökonomische Lage in Russland ist schlecht – und wird noch schlechter. Selbst ein Sieg in der Ukraine würde der russischen Wirtschaft nichts nützen.

Vladimir Putin beim Besuch eines Zentrums für Luftwaffenausbildung.

Wladimir Putin gibt lieber Geld für Waffen als für Eier aus Foto: Mikhail Metzel/imago

Russland ist das größte Land der Erde, hat aber fast keine Einwohner, relativ gesehen. Etwa 144 Millionen Menschen verteilen sich auf 17 Millionen Quadratkilometer Fläche. Macht 8,5 Russen pro Quadratkilometer. Nur zum Vergleich: In Deutschland müssen sich 236,6 Einwohner einen Quadratkilometer teilen.

Da sollte man doch denken, dass es im leeren Russland genug Auslauf für Hühner gäbe. Stattdessen brach in diesem Winter eine „Eierkrise“ aus, die zur Staatsaffäre wurde, weil sich im Fernsehen eine wütende Rentnerin bei Präsident Putin beschwerte. Denn Eier waren um 61 Prozent teurer geworden oder gleich ganz aus den Supermarktregalen verschwunden.

Diese sonderbare Eierkrise erklärt viel über die russische Wirtschaft – und wie sie sich in Kriegszeiten verändert. Es geht um Importe, Arbeitskräfte und den Rubelkurs. Die Eierkrise begann damit, dass Russland seine Bruteier nicht selbst erzeugt, sondern bisher aus den Niederlanden eingeführt hat. Diese Bruteier unterliegen zwar nicht den westlichen Sanktionen, kamen aber trotzdem nicht mehr an, weil der Bankenverkehr zwischen Russland und dem Westen weitgehend unterbrochen ist.

Die Niederländer wollten Geld sehen, das die russischen Hühnerzüchter nicht mehr überweisen konnten. Zudem überleben Hühner in Großmästereien nur, wenn sie geimpft werden und Antibiotika schlucken. Auch diese Arzneimittel kamen bisher aus dem Westen. Zwar ist es möglich, die Lieferketten neu zu organisieren. Aber das kostet Zeit und Geld.

Die Kriegskosten treffen auf eine Wirtschaft, die rückständig ist und fast nur Bodenschätze exportiert

Generell werden alle Importe teurer, denn der Rubel verliert international an Wert. Im Jahr 2021, also vor dem Krieg gegen die Ukraine, mussten die Russen im Durchschnitt 73 Rubel für einen Dollar zahlen. Momentan sind es etwa 92 Rubel, was einem Wertverlust von 26 Prozent entspricht.

Noch schwieriger: Die Arbeitskräfte werden rar. Die privaten Betriebe, auch die Hühnerfarmen, verlieren ihre Mitarbeiter an den Staat. Putin hat zwar bisher auf eine generelle Mobilmachung verzichtet, aber etwa 330.000 Männer dürften zusätzlich eingezogen worden sein, um die reguläre Armee zu verstärken. Viele werden nicht zurückkehren. Bis Ende März seien 436.750 russische Soldaten im Krieg getötet oder verwundet worden, meldet die Ukraine. Die USA gehen von etwa 300.000 russischen Opfern aus.

Ein Krieg benötigt aber nicht nur Soldaten. Es müssen auch Waffen und Uniformen hergestellt, Krankenhäuser ausgebaut und Ausrüstung an die Front geschafft werden. Das bindet ebenfalls Arbeitskräfte, die normalen Unternehmen nun nicht mehr zur Verfügung stehen. Denn der russische Staat bietet höhere Löhne – und Sicherheit. Wer in einem kriegswichtigen Betrieb arbeitet, kann davon ausgehen, dass er nicht zur Front eingezogen wird.

So banal es ist: Krieg zerstört, statt Werte zu schaffen. Wenn Putin nun Millionen Menschen direkt oder indirekt einsetzt, um die Ukraine zu überfallen, dann ist der ökonomische Schaden auch in Russland groß. Offiziell soll die russische Wirtschaft im vergangenen Jahr um 3,5 Prozent gewachsen sein, aber reicher wurde das Land nicht. Diese BIP-Zahl wurde vor allem durch den Sold der Soldaten und die Waffenproduktion aufgebläht.

Auf Verschleiß gefahren

Da Arbeitskräfte in Russland immer knapper werden, legen die Löhne und damit die Nachfrage zu, ohne dass mehr zivile Güter produziert würden. Also steigen die Preise. Offiziell betrug die Inflation im vergangenen Jahr 7,4 Prozent, weswegen die Zentralbank die Zinsen auf 16 Prozent hochsetzte. Ergebnis: Niemand nimmt noch Kredite auf, höchstens der Staat. Es wird nicht mehr investiert, sondern auf Verschleiß gefahren.

Die Kriegskosten treffen zudem auf eine Wirtschaft, die sowieso rückständig ist und fast nur Bodenschätze exportiert. Vor allem Gas kann Russland aber nur noch mühsam verkaufen, floss es doch früher über Pipelines nach Europa, die nun weitgehend unterbrochen sind. Vor dem Ukraine-Krieg importierte die EU jährlich mehr als 150 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland, 2023 waren es weniger als 43 Milliarden. Neue Kunden sind für Russland aber schwer zu beschaffen, weil es Jahre dauert, um Pipelines zu bauen.

Besser sieht es beim Öl aus. Rein mengenmäßig exportiert Russland jetzt sogar mehr Öl als vor dem Krieg. Europa importiert zwar fast nichts mehr, aber dafür kaufen die Inder eifrig ein. Fragt sich nur: zu welchem Preis? Die Inder dürften saftige Rabatte verlangen, weil die Russen dringend Abnehmer benötigen.

Weniger Exporte

Exportstatistiken veröffentlicht Russland nicht mehr, seitdem es die Ukraine überfallen hat. Aber selbst Russland gibt zu, dass seine Ausfuhren 2023 insgesamt um 28,3 Prozent gefallen sind und nur noch 425 Milliarden Dollar erzielten.

Die wirtschaftliche Lage ist also ungut. Allerdings divergieren die Einschätzungen, wie lange Putin die Probleme kaschieren kann. Die Ökonomin Alexandra Prokopenko arbeitete früher bei der russischen Zentralbank und ist nun bei der Carnegie-Stiftung in Berlin angestellt. Sie prognostizierte jüngst im Spiegel: „Für die Entwicklungen auf dem Schlachtfeld ist der Zeithorizont von 12 bis 18 Monaten entscheidend, und da sehe ich keine erheblichen wirtschaftlichen Probleme.“ Pessimistischer ist der russische Volkswirt Igor Lipsiz, der ebenfalls im Exil lebt. Er sagte der FAZ: Schon Ende des Jahres könne es „zu leeren Regalen in Supermärkten kommen“.

Wie auch immer: Russlands Aussichten sind düster, weil Putin keine ökonomische Exit-Strategie hat. Für die Wirtschaft ist es egal, ob er siegt oder verliert. Selbst wenn Russland den Ukrainekrieg gewinnen sollte, was hoffentlich nicht passiert, bräuchte Putin viele Soldaten, um das Nachbarland dauerhaft zu besetzen. Zugleich müsste Russland weiter aufrüsten, weil die Nato nun ebenfalls in ihre Verteidigung investiert. Die russische Kriegswirtschaft wird nie enden – doch dafür ist das Land zu arm.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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