Wohnungsnot in Deutschland: Miese Aussichten in der Baubranche

Etwa jeder zehnte Deutsche lebt in einer überbelegten Wohnung. Zum Wohnungsbautag fordern Verbände deshalb mehr staatliche Fördermittel.

Mehrfamilienhaus mit vielen Balkonen

Merhfamilienhaus in Köln: Aus Sicht der Baubranche und der Wohnungssuchenden wird zu wenig gebaut Foto: Oliver Berg/dpa

BERLIN taz | Mehr staatliche Fördermittel und weniger Bauanforderungen – so stellt sich die Baubranche den Weg aus der Krise vor. „Unsere Unternehmen sind unter den aktuellen Rahmenbedingungen gezwungen, den Neubau einzustellen, denn er ist nicht mehr bezahlbar – weder für die Bauherren noch für die künftigen Mieter“, warnte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft (GdW), am Donnerstag in Berlin.

Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft

Wir müssen nicht Zuckerguss fördern, sondern das bezahlbare Schwarzbrot.

Zum Wohnungsbautag forderte das Verbände-Bündnis Wohnungsbau, dem der Deutsche Mieterbund, die Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt sowie die Wohnungswirtschaft und Verbände der Bauindustrie angehören, 23 Milliarden Euro an Subventionen pro Jahr. 15 Milliarden Euro für die von der Regierung versprochenen 100.000 neuen Sozialwohnungen, weitere 8 Milliarden Euro für den Neubau von 60.000 bezahlbaren Wohnungen.

Diese Förderungen dürften zudem nicht an so hohe Standards geknüpft sein. „Wir müssen nicht Zuckerguss fördern, sondern das bezahlbare Schwarzbrot“, sagte Gedaschko. Gemeint war damit zum Beispiel: Auf Fahrstühle und Balkone verzichten oder weniger Dämmvorschriften machen.

Gleich zwei Studien wurden zum Branchengipfel präsentiert. Im Fokus zum einem: die Entwicklung von Baukosten und die sozialen Folgen. Zum anderem: Die wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Baubranche.

11 Prozent der Bevölkerung lebten laut der neuen Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge) aktuell in überbelegten Wohnungen, also auf zu wenig Platz. Seit 2020 hätten sich gleichzeitig die Baukosten um 42 Prozent verteuert, erklärte Studienleiter Dietmar Walberg. „Um schnell wieder bezahlbare Wohnungen bauen zu können, müssen sofort alle Möglichkeiten genutzt werden, die Baukosten zu senken.“ Das gehe nur über geringere Standards.

„Dauersubventionen wird es nicht geben“

Die zweite Studie des Beratungsunternehmen der Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Econ) stellte heraus, dass die Gesamtinvestitionen in den Wohnungsbau seit drei Jahren rückläufig sind. 2024 dürften sie nominal um 5,4 Prozent sinken, so die Prognose. Das habe fatale Folgen für die Wirtschaft.

Denn für das vergangene Jahr 2023 wurde eine Bruttowertschöpfung von rund 537 Mil­liar­den Euro berechnet, ein Wert, der als Maß für die wirtschaftliche Leistung herangezogen wird. Damit stehe „jeder siebte Euro der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung in Beziehung zur Wohnungsbaubranche“, ebenso jeder siebte Arbeitsplatz.

6,6 Millionen Arbeitsplätze hingen direkt und indirekt mit der Wohnungsbaubranche zusammen. Und sie brachten dem Staat Steuereinnahmen von 141 Milliarden Euro, das seien 17 Prozent der gesamten Steuereinnahmen. Der prognostizierte Einbruch würde einen geschätzten Verlust von 5 Milliarden Euro an Steuereinnahmen bedeuten.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und Bundeswirtschaftminister Robert Habeck (Grüne) erteilten den hohen Subventionsforderungen aber eine klare Absage. „Mit einer Dauersubvention in allen Bereichen wird es nicht gehen“, kritisierte Geywitz. Es brauche einen Markt, „wo es sich trägt, in den frei finanzierten Wohnungsbau zu investieren“.

Habeck sah sogar leise Anzeichen der Besserung: Die Inflation sei stark zurückgegangen und auch die Zinsen würden in absehbarer Zeit wieder sinken. „Wir müssen noch ein bisschen durchhalten, und das ist die ehrliche Antwort, die ehrliche Analyse“, sagte er.

„Sanierung wird immer wichtiger“

Bernhard Daldrup, wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sieht zudem nicht nur die Politik in der Pflicht. „Die renditegewohnte Branche“ sei „mit Innovationsdefiziten konfrontiert, die kaum öffentlich diskutiert werden“, erklärte er der taz. Digitalisierung oder modularer und serieller Wohnungsbau würden „nur von Wenigen angenommen.“

Der Grünen-Abgeordnete Kassem Taher Saleh, der selbst Bauingenieur ist, betonte, dass in der aktuellen Rezession auch „Sanierung immer wichtiger werde.“ Anforderungen an Energieeffizienz dürften „nicht fallen gelassen werden, sondern müssen durch gezielte Förderung in die Breite getragen werden“, sagte er der taz.

Wohnungspolitikerin Caren Lay forderte, dass der Bund mehr in den sozialen und bezahlbaren Wohnungsbau investieren müsse. Die Ampel investiere „zu wenig und zu ungezielt“, sagte die Linken-Politikerin der taz. Die Bundesregierung hatte eigentlich 400.000 Wohnungen pro Jahr versprochen, davon 100.000 Sozialwohnungen – doch davon ist man derzeit weit entfernt.

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