Von der Polizei erschossener Hussam Fadl: Witwe kämpft für Aufklärung

Der Geflüchtete Hussam Fadl wurde 2016 unter ungeklärten Umständen von der Berliner Polizei erschossen. Seine Ehefrau verklagt nun das Land Berlin.

Menschen auf einer Demonstration; einer trägt ein Schild mit der Aufschrift "Hussam Fadl erschossen von der Polizei"

Demo gegen Polizeigewalt in Berlin 2021: Die Ermittlungen im Fall Hussam Fadl wurden bereits zwei Mal eingestellt Foto: Marcus Golejewski/Adora Press

BERLIN taz | Zaman Gate will nicht aufgeben. Seit bald acht Jahren kämpft sie darum, dass der Tod ihres Ehemannes Hussam Fadl aufgeklärt wird. Der damals 29-jährige Geflüchtete aus dem Irak war 2016 von der Berliner Polizei erschossen worden. Mit Unterstützung ihrer Anwältin verklagt die Witwe nun das Land Berlin auf Schmerzensgeld. Am Mittwoch beginnt der Zivilprozess vor dem Landgericht.

„Wir haben in diesem Land ein Unrecht erfahren, das meine Familie gebrochen hat. Ich erwarte Reparationen“, sagte Gate am Montag. Sie und ihr Mann Hussam Fadl waren gemeinsam mit ihren drei Kindern 2014 aus dem Irak nach Deutschland geflohen. Die Familie kam in einer Sammelunterkunft in Moabit unter. Dort rückte an einem Abend im September 2016 die Polizei an, weil ein Bewohner ein sechsjähriges Mädchen – Fadls und Gates Tochter – sexuell missbraucht haben soll.

Der Tatverdächtige saß bereits gefesselt im Polizeiauto, als Hussam Fadl aufgebracht auf den Platz vor der Traglufthalle stürmte. Drei Polizisten schossen viermal von hinten auf ihn. Einer traf und verletzte Fadl lebensgefährlich. Er starb wenig später im Krankenhaus.

Bis heute ist ungeklärt, weshalb die Polizisten das Feuer eröffneten. Die Polizei gab später an, Fadl sei mit einem Messer in der Hand auf den Verdächtigen im Auto zugelaufen. Andere Zeu­g*in­nen haben allerdings kein Messer gesehen. Ein sichergestelltes Küchenmesser wies keine Fingerabdrücke von Fadl auf. Trotzdem teilte die Staatsanwaltschaft die Ansicht der Polizei und stellte 2017 die Ermittlungen mit dem Verweis auf Notwehr und Nothilfe ein.

Ein Zivilprozess bietet neue Möglichkeiten

Zaman Gate wollte sich nicht damit abfinden und erreichte mit ihren Anwält*innen, dass die Staatsanwaltschaft 2018 die Ermittlungen wieder aufnahm – allerdings nur, um sie kurz darauf erneut einzustellen. Die Witwe legte nach und reichte eine Verfassungsbeschwerde ein, der das Landesverfassungsgericht im vergangenen Sommer überraschend stattgab. Nun muss das Kammergericht über Gates Antrag auf Klageerzwingung entscheiden.

Unterdessen streitet die Witwe mit ihrer Anwältin Beate Böhler auch auf dem zivilrechtlichen Weg für Gerechtigkeit. Laut Böhler bietet der nun anstehende Prozess um Schmerzensgeld die Möglichkeit, die Aufklärung voranzutreiben. Denn in einem solchen Zivilverfahren gelten andere Regeln für die Beweisführung als in einem Strafverfahren. Es gilt nicht der Grundsatz: „Im Zweifel für den Angeklagten“. Stattdessen muss der Beklagte – das Land Berlin – beweisen, dass die Schüsse auf Hussam Fadl nicht rechtswidrig waren.

Das sei eine „günstige Beweissituation“, betonte Böhler. Allerdings sei die Beweisführung gegen die Polizei immer eine Herausforderung: „Andauernd gibt es angebliche Erinnerungslücken und Zeu­g*in­nen sind nicht auffindbar.“ Die Anwältin ist trotzdem zuversichtlich: Die beschuldigten Polizisten treten in dem Zivilverfahren als Zeugen auf. „Ich freue mich schon darauf, sie konfrontativ zu befragen“, sagte Böhler.

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