Karlsruher Urteil zur Vaterschaft: Aus zwei mach drei

Das Bundesverfassungsgericht hält fest, dass mehr als nur zwei Eltern laut Gesetz möglich sind. Justizminister Buschmann geht das alles zu schnell.

Fußpaare von Kindern und Erwachsenen

Mut zur Patchworkfamilie Foto: Elmar Gubisch/imago

Das Bundesverfassungsgericht zeigte Mut zur Patchworkfamilie. Während man in der Lebensrealität schon lange viele Modelle von Elternschaft sieht – mit drei, vier oder mehr sozialen Elternteilen –, war die juristische Lage bisher strikt. Es konnte maximal nur zwei rechtliche Elternteile geben, alle anderen Bezugspersonen des Kindes haben allenfalls ein Umgangsrecht.

Damit könnte nun aber Schluss sein. Karlsruhe hat noch einmal ins Grundgesetz geschaut und erkannt, dass dort keine Begrenzung der Zahl der Elternteile steht. Ab sofort könnte der Gesetzgeber auch drei rechtliche Elternteile zulassen, zum Beispiel Mutter, leiblicher Vater und der neue Freund der Mutter.

Doch Marco Buschmann, der Justizminister der angeblich „progressiven Koalition“, hat bereits abgewunken. Er will von den neuen Möglichkeiten keinen Gebrauch machen und nur die Karlsruher Minimalvorgabe – ein verbessertes Vaterschaftsanfechtungsrecht für leibliche Väter – umsetzen.

Dabei hat die Sachverständigenanhörung im Bundesverfassungsgericht doch ergeben, dass Kinder durchaus mit mehr als zwei Bezugspersonen zurechtkommen, wenn sich alle Eltern liebevoll und verlässlich um sie kümmern. Was Kindern nicht guttut, ist ständiger und fieser Streit zwischen den Bezugspersonen. Und den gibt es bekanntermaßen auch bei klassischen Elternpaaren.

Zwar könnte man vermuten, dass mehr mitspracheberechtigte Elternteile auch die Wahrscheinlichkeit von Zerwürfnissen erhöht. Aber ist es wirklich für den familiären Frieden aussichtsreicher, wenn es nur einen rechtlichen Vater geben darf und der Streit dann vor Gericht ausgefochten wird?

Das Karlsruher Urteil ist jedenfalls klug. Es beseitigt überholte Restriktionen, zwingt den Gesetzgeber aber nicht, von der neuen Freiheit Gebrauch zu machen. So können sich Gesellschaft und Politik langsam daran gewöhnen, dass es auch drei rechtliche Elternteile geben kann. Und wenn der Gedanke erst mal kollektiv gereift ist, wird er dann umgesetzt, vielleicht schon in zehn Jahren.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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