Nicaraguas Klage vor dem IGH: „Ohne faktische Basis“

Vor dem Internationalen Gerichtshof erklärt die deutsche Delegation Nicaraguas Klage für haltlos. Hilfsprogramme seien massiv aufgestockt worden.

Eine Frau steht mit einem Kleidungsstücken in den Trümmern von Gaza

Eine Frau steht in den Trümmern von Gaza-Stadt Foto: REUTERS/Dawoud Abu Alkas

DEN HAAG taz | Am zweiten Anhörungstag vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag hat die deutsche Delegation auf die Anklage Nicaraguas reagiert. Diese hatte Deutschland wegen „politischer, finanzieller und militärischer Unterstützung Israels“ Beihilfe zum Genozid vorgeworfen, also zu einem Völkermord, den die israelische Armee derzeit im Gazastreifen begehe.

Tania von Uslar-Gleichen, Direktorin der Rechtsabteilung im Auswärtigen Amt, sagte in ihrer Zusammenfassung, die Anschuldigungen seitens Nicaraguas hätten „keine juristische und faktische Basis“. Deutschland habe weder gegen die Völkermord-Konvention noch gegen Völkerrecht verstoßen.

Die Völkerrechts-Expertin hatte als Leiterin der Delegation die Verteidigung auch eröffnet und dabei einige grundlegende Positionsbestimmungen vorgenommen: In der aktuellen Konstellation im Gazakrieg tue Deutschland „sein Möglichstes, um beiden Seiten gerecht zu werden“. Sie verwies auf die humanitäre Hilfe für palästinensische Zivilist*innen, die seit Kriegsbeginn verdreifacht worden sei. Zugleich betonte sie, Deutschland habe aus der Geschichte gelernt und stehe aus seiner Verantwortung für die Shoah fest an der Seite Israels, dessen Sicherheit deutsche Staatsräson sei.

Gleich zu Beginn der Plädoyers wurde damit einmal mehr klar, wie sehr das internationale Recht im Zuge des Gazakriegs zum Schauplatz der politischen Auseinandersetzung geworden ist und um welch komplexes Terrain es sich dabei handelt. Von Uslar-Gleichen betonte, Deutschland setze sich weiter für das Recht des palästinensischen Volks auf Selbstbestimmung ein und unterstütze eine Zweistaatenlösung. Nicaragua hingegen warf sie eine „einseitige“ Sichtweise vor, die in der Anklage selbst das Existenzrecht Israels verneine. Sie zitierte, die Hamas-Massaker des 7. Oktober hätten sich gegen „Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten“ gerichtet.

Hilfsprogramme wurden deutlich aufgestockt

Christian Tams, Direktor des Glasgow Centre for Interna­tional Law and Security (GCILS), wandte sich zum Einen gegen die Anschuldigung, Deutschland habe die Arbeit des ­UNRWA-Hilfswerks mit dem vorübergehenden Aussetzen der Zahlungen just in der aktuellen Situation existenziell gefährdet. Zum fraglichen Zeitpunkt Ende Januar hätten keine Zahlungen angestanden, zudem habe Deutschland über Partner wie Unicef oder das UN World Food Programme seine Hilfe für Gaza sogar noch erhöht.

Zudem verwies Tams auf den „robusten Rahmen“ von militärischen Exporten. Die Darstellung Nicaraguas sei hier „bestenfalls inakkurat, schlimmstenfalls eine bewusste Falschauslegung“. Trotz der Bedeutung der Sicherheit Israels unterliege auch in diesem Fall jeder Export einer doppelten ministeriellen Prüfung.

Zudem bestehe die von Deutschland gelieferte militärische Ausrüstung im überwiegenden Fall nicht aus Kriegswaffen. Bei gelieferter Munition handele es sich um Übungsmaterial, das nicht für Kampfeinsätze geeignet sei. Zu den geforderten Sofortmaßnahmen gegen Deutschland lautete Tams’ Fazit: „Aus der Nähe betrachtet, fallen die Anschuldigungen Nicaraguas in sich zusammen.“

Der Sorbonne-Jura-Professor Paulo Palchetti bemängelte schließlich die Abwesenheit einer dritten Partei – Israel –, um deren Handlungen es hier eigentlich gehe. Zugleich setze die Anklage voraus, dass Israel überhaupt gegen Artikel 1 der Genozid-Konvention verstoße. Diesen Tatbestand aber hat der Gerichtshof bislang keineswegs festgestellt. Bis der IGH darüber im Rahmen der südafrikanischen Klage befunden hat, könnten mehrere Jahre ver­gehen.

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