Einbürgerung in Berlin: Anschluss verloren

Vor Jahren gestellte Anträge auf Einwanderung hängen in der Warteschleife. Nun werden digitale Neuanträge vorgezogen.

Menschen sitzen vor dem Landesamt für Einwanderung

Zuständig, aber unterbesetzt: Landesamt für Einwanderung Foto: Vladimir Menck/Sulupress/picture alliance

BERLIN taz | Bereits 2019 hat der vietnamesisch-deutsche Journalist Trung Khoa Le beim Bezirksamt Lichtenberg seine Einbürgerung beantragt. Da er zwischenzeitig nach Pankow zog, musste er dort seinen Antrag noch einmal neu stellen und sich hinten in die Reihe der Wartenden einreihen. Seit Januar ist die Senatsverwaltung für Inneres für alle Einbürgerungen in Berlin zentral zuständig, und Le steht erneut ganz hinten in die Schlange der Einbürgerungskandidaten.

Denn nach der taz vorliegenden Informationen bürgert die Innenverwaltung vorzugsweise solche Menschen ein, die 2024 ihren Antrag dort neu digital stellten. Viele von ihnen erhalten nach Angaben von Anwälten innerhalb von sechs bis acht Wochen einen deutschen Pass. Wer hingegen bis zum letzten Jahr seinen Antrag stellte, tat das in Papierform, und der Innenverwaltung scheinen Kapazitäten bei der Digitalisierung der Altanträge zu fehlen. Das teilten mehrere Rechtsanwälte der taz unabhängig voneinander mit.

Eine Sprecherin der Innenverwaltung bestätigt das teilweise gegenüber der taz. „Problematisch ist in der Tat, dass ein Teil der Papierakten aus den Bezirken aktuell noch zum Einscannen bei dem beauftragten externen Scandienstleister liegt.“ Voraussichtlich bis Ende Juni sollen alle von den Bezirken übernommenen Akten dann digital zur Bearbeitung bereitstehen. Von Altantragstellern müsse auch noch ein aktueller Einkommensbescheid nachgefordert werden.

40.000 unbearbeitete Anträge auf Einbürgerung übernahm die Innenverwaltung von den Bezirken, die ältesten von 2018. Gestemmt werden sollen 20.000 Einbürgerungen pro Jahr statt bisher maximal 9.000. Das heißt, allein die Bearbeitung der Altanträge würde zwei Jahre dauern. Doch da in der Zentralen Einbürgerungsstelle 70 der 172 vorgesehenen Personalstellen noch nicht besetzt sind, dauert es noch länger. Darüber hinaus geht der Senat davon aus, dass in diesem Jahr 50.000 Einbürgerungsanträge neu gestellt werden. Das steht in einem Schrei­ben der Innenverwaltung an den Anwalt Peter Meyer. Selbst bei voller Stellenbesetzung wird der Stau bei Einbürgerungen größer statt kleiner.

40.000 unbearbeitete Anträge liegen bei Innenverwaltung

Die Innenverwaltung legt Meyers Mandanten nahe, den Einbürgerungsantrag erneut digital zu stellen. Die Entscheidung darüber liege natürlich bei den Kunden selbst, heißt es weiter, denn „dann würde eine neuerliche Gebühr anfallen“. Die Höhe: 255 Euro. Die Alternative, eine Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht einzureichen, wäre noch teurer. Das kostet rund 900 Euro.

Die Rechtsanwältin Petra Schlagenhauf vertritt Mandanten in solchen Klageverfahren. „Mehreren von ihnen wurde mitgeteilt, die Einbürgerung würde haken, weil immer noch nicht die digitalisierten Akten“ bei der neuen Behörde vorlägen. Darunter seien zwei Mandanten, die in Erwartung des deutschen Passes aus ihrer alten Staatsangehörigkeit ausgebürgert wurden.

Der Grünen-Abgeordnete Jian Omar hat das jetzt eingetretene Szenario im Innenausschuss vorausgesagt und von der Innenverwaltung ein Konzept für die Übergangszeit gefordert. „Das wurde von der Senatorin Iris Spranger (SPD) immer abgebügelt“, sagt er. „Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen und man kann nur noch Schadensbegrenzung betreiben.“ Omar fordert, die Behörde personell aufzustocken, um Altanträge abzuarbeiten. „Wer seinen Antrag noch einmal digital stellen will, muss das gebührenfrei tun können, denn die Menschen haben das Behördenwirrwarr nicht zu verantworten.“

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