Real Madrid gegen Manchester City: So viel Qualität

Real Madrid und Manchester City trennen sich in einem rasanten Spiel unentschieden. Die Zuschauer lassen sie mit Schnappatmung zurück.

Federico Valverde schaut mit erhobenem Zeigefinger Richtung Himmel.

Ein Spiel vom anderen Stern: Federico Valverde feiert den späten Ausgleich zum 3:3 Foto: Jose Breton/ap

Nach einer Ode an den Fußball gab es tatsächlich auch noch kleine Beschwerden. „Sie müssen sich jetzt nur noch um einen guten Rasen kümmern“, stichelte ManCitys Trainer Pep Guardiola auf eine Frage nach seinem Eindruck von Fußball unter geschlossenem Dach in Real Madrids erneuertem Bernabéu-Stadion. „Der Rasen hob sich, der Ball hoppelte“, spezifizierte derweil sein Mittelfeldstratege Rodri Hernández die Klage der Profis, die umgehend zu der Frage führt: Was wäre das erst auf gutem Rasen für ein Fußballspiel geworden?

Der unbedarfte Beobachter war ja geneigt, in diesem Champions-League-Viertelfinale das Spiel in seiner maximalen Entfaltung zu sehen. 3:3 trennten sich alter Adel und arrivierter Parvenü in ihrer fünften Begegnung binnen zwei Jahren. Europas Fußball hat einen neuen Klassiker, und er ließ die Zuschauer mehr denn je mit Schnappatmung zurück. So viel Energie und Tempo, so viele Wendungen, so viel Klasse wie zwischen dem 0:1 von Bernardo Silva durch einen listigen Freistoß (2. Minute) bis zum 3:3 durch Federico Valverdes fulminanten Volleyschuss (80.) hätte zu früheren Zeiten eine ganze DVD von Europacup-Saisonhighlights gefüllt.

Champion 2022 gegen Champion 2023, jederzeit offenes Visier und eine zwar geschlossene Arena, die aber weiter epochale Drehbücher auswirft: „It’s the Bernabéu, my friend!“, bedeutete Pep Guardiola einem englischen Reporter, der den zweimaligen Verlust einer City-Führung problematisieren wollte. „Wenn du hierherkommst und glaubst, 90 Minuten lang kontrollieren zu können, bist du tot“, so der Meistercoach – dem genau das zu Beginn seiner Trainerkarriere mit dem FC Barcelona zwar regelmäßig gelang. Doch seit ihm mit City hier vor zwei Jahren durch zwei Gegentore ab der 90. Minute noch das sicher geglaubte Weiterkommen aus der Hand gerissen wurde, hat er seine Perspektive geändert.

Guardiola hat sich entideologisiert. Früher wäre er verzweifelt an den Ballverlusten und der fehlenden Spielbestimmung seiner Elf. Aber mit der reinen Lehre hat er seit dem Abgang aus Barcelona 2012 zu oft Schiffbruch erlitten in der Champions League. Erstmals wieder gewann er sie vorige Saison als Pragmatiker, der mit Erling Haaland als Mittelstürmer spielt, wo er bei Barça einst Zlatan Ibrahomivić abstieß. Ein klassischer Guardiola hätte Haaland am Dienstag dringend auswechseln müssen, denn der Norweger gab Reals Verteidigung jenen Fixpunkt, den ihr die „falsche Neun“ bei Barças regelmäßigen Triumphen im Bernabéu immer so gekonnt verweigerte – als Guardiola die Konstruktion just hier 2009 erstmals ausprobierte, siegte er mit 6:2. Damals, klar, interpretierte sie Lionel Messi.

Einfach drauflos ballern

Es war „ein gutes Resultat“ für City, wie Guardiola insistierte. Denn es bedeutet die Pole Position für ein Weiterkommen nächsten Mittwoch. Die Abschaffung der Auswärtstorregel hat dem Europapokal das strategische Element genommen. Hinspiele werden nicht mehr langsam geköchelt, man ballert einfach drauflos. Das kann so rasant und futuristisch sein wie am Dienstag, ist aber ergebnistechnisch oft irrelevant; im Prinzip wie die erste Halbzeit in einem American-Football-Match. Jetzt eine Woche „halftime show“ – und dann zählt es erst richtig.

Vor eigenem Publikum hat City die deutlich besseren Karten. Letztes Jahr fegte es Real nach einem Unentschieden im Hinspiel (1:1) mit 4:0 weg, und nächste Woche kann es wohl wieder auf Spielmacher Kevin de Bruyne zurückgreifen und die in Madrid arg poröse Abwehr mit Stammtorwart Ederson sowie den Verteidigern Kyle Walker und Nathan Aké stabilisieren. Alle fehlten in Madrid.

Allerdings scheint Real fest entschlossen, diesmal nicht nur Spalier zu stehen. Trainer Carlo Ancelotti erklärte, erneut so „von Angesicht zu Angesicht“ agieren zu wollen wie in Madrid. Also mit hoher Zweikampfbereitschaft, immensem physischem Aufwand und permanenter Kontersuche.

Die brasilianischen Spitzen Vinícius und Rodrygo wurden dabei oft von einem wieder mal allgegenwärtigen Toni Kroos eingesetzt, etwa vor Rodrygos 2:1. Erst in der letzten halben Stunde musste der Deutsche abreißen lassen, prompt erhielt City das Quantum Zeit am Ball für zwei Traumfernschüsse von Phil Foden und Josko Gvardiol zum 2:3. Direkt danach wurde Kroos ausgewechselt. Dass ein 34-Jähriger das irrwitzige Tempo so lange mitgehen konnte, war aller Ehren genug.

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