Weltoffen und knapp bei Kasse

Obwohl er es eigentlich besser wissen müsste, macht der Hamburger CDU-Senat keine schwulen- und lesbenfreundliche Politik. Das behauptet zumindest die Opposition. Die Regierung argumentiert indes mit Haushaltszwängen

Von Markus Jox

Die Freie und Hansestadt Hamburg gilt recht eigentlich als überaus schwulen- und lesbenfreundliches Pflaster, als Hort der Toleranz. Die Homoszene ist quicklebendig, die Lange Reihe in St. Georg etwa mit hippen Locations aufgehübscht – und der CDU-Regierungschef lässt sich gerne mal Arm in Arm mit Drag Queen Olivia Jones ablichten. Im Rathaus wiederum kommt es durchaus vor, dass man Touristen angetan wispern hört: „Dieser von Beust ist ein nobler Herr, der geht ganz anders damit um als der Wowereit da in Berlin mit seinen ganzen Partys.“

Die Schwulen- und Lesbenpolitik des Hamburger Senats allerdings, den der vom Scharfrichter Ronald Schill zwangsgeoutete und mittlerweile ohne Koalitionspartner regierende Ole von Beust führt, wird von der Opposition scharf kritisiert. Das Senatsamt für Gleichstellung, das auch ein Homoreferat enthielt, hatte bereits der CDU-Schill-Senat abgewickelt. Und erst jüngst hat Justizsenator Roger Kusch (CDU) im Rahmen einer „Deregulierungsoffensive“ angekündigt, die „Hamburger Ehe“ abschaffen zu wollen. Lange vor dem rot-grünen Lebenspartnerschaftsgesetz waren mit ihr erstmals in Deutschland die Standesämter für lesbische und schwule Paare geöffnet worden.

„Seit Hamburg ab 2001 von der CDU regiert wird, hat es dort für Lesben und Schwule keinerlei politische Fortschritte gegeben“, behauptet etwa der ehemalige Vizebürgerschaftspräsident Farid Müller (GAL) in einem Antrag, den er für seine Fraktion anlässlich 25 Jahren Christopher Street Day in Hamburg ins Parlament eingebracht hat. In dem mit „Bürgerrechte und Akzeptanz für Lesben und Schwule – nichts geht mehr mit der CDU“ überschriebenen Papier weist Müller unter anderem darauf hin, dass 2002 und 2004 Projekte für Coming-Out-Hilfen und die AIDS-Prävention gekürzt worden seien. Und das, obwohl gerade Jugendliche „mit ihrem immer früheren Coming Out der Hilfe der Gesellschaft bedürfen und gleichzeitig wieder die HIV-Infektionszahlen seit den 90er Jahren erschreckend steigen“, argumentiert der Grüne weiter. Über den Bundesrat habe zudem ausgerechnet die Hamburger CDU, die sich selbst gerne als „moderne Großstadtpartei“ feiert, versucht, sämtliche rechtliche Fortschritte beim Lebenspartnerschaftsgesetz zu blockieren oder mit Gegenoffensiven zu bekämpfen. So forderte Kusch die Abschaffung des Verlöbnisses für Lebenspartner und startete in der Länderkammer eine Initiative gegen das Antidiskriminierungsgesetz, wonach der Diskriminierungstatbestand der sexuellen Identität entfallen sollte.

Allen „Sonntagsreden in Richtung Weltoffenheit“ zum Trotz und „obwohl er es wirklich besser wissen müsste“, macht der CDU-Senat nach Ansicht Müllers eine Politik gegen Schwule und Lesben. Es sei auch nicht überzeugend, wenn die Regierung „mit der allgemeinen Haushaltsknappheit“ argumentiere. „Die haben so punktuell und bewusst gestrichen, dafür würde ich in einer halben Stunde sofort eine Deckung im Haushalt finden“, behauptet der GALier.

Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Roland Heintze sieht das natürlich anders: „In Zeiten angespannter Kassenlage“ müssten die öffentlichen Mittel für die AIDS-Prävention eben „so effektiv wie möglich eingesetzt werden“, schreibt Heintze auf der Homepage der „Lesben und Schwulen und der Union (LSU), deren Bundesvorsitzender er ist. Bestehende Präventionskonzepte müssten folglich „auf den Prüfstand, mit dem Ziel, flexibler auf neue Herausforderungen reagieren zu können“. AIDS sei eine Krankheit, die keine sexuelle Orientierung kenne, ein Problem für die gesamte Gesellschaft darstelle und keineswegs nur für „Risikogruppen“. Hieraus müsse die Präventionsarbeit und die sie tragenden Institutionen „flexibel“ reagieren: „Besitzstanddenken können wir uns gerade in Zeiten leerer Kassen im Interesse der Betroffenen nicht leisten.“

„Vom Kampf zur Party – ist in Hamburg alles ok?“: Über diese Frage wollen sich die drei Parlamentarier Roland Heintze (CDU), Lutz Kretschmann-Johannsen (SPD) und Farid Müller (GAL) heute Abend ab 19 Uhr im Kaisersaal des Hamburger Rathauses streiten. Als „special effects“ gibt es CSD-Videos und Fotos von 1980 bis heute zu betrachten