taz🐾thema
: fahr rad!

die verlagsseite der taz

Sicher auf dem Sattel

Nicht immer, aber immer öfter: Es wird verstärkt aufs Velo gestiegen, vor allem in den Städten. Das spiegelt sich in der Unfallstatistik wider und rückt Sicherheit in den Fokus: Es braucht eine bessere Infrastruktur. Radelnde können für ihren Schutz auch einiges selbst tun

Wer gut sichtbar ist und einen Helm trägt, hat schon mal einiges für die eigene Sicherheit getan. Doch da geht noch mehr Foto: Olaf Schülke/SZ Photo/picture alliance

Von Cordula Rode

Für jeden Menschen hierzulande steht ein Fahrrad bereit: Der hiesige Bestand erreichte im vergangenen Jahr den Rekordwert von 84 Millionen Velos, rund elf Millionen davon sind E-Bikes, so der Zweirad-Industrieverband. Die Zahl der bei Unfällen getöteten Rad­fah­­re­r:in­nen ist in den vergangenen Jahren zwar deutlich zurückgegangen, doch die Zahl der Unfälle mit Verletzten angestiegen. Das Thema Sicherheit rückt, besonders im städtischen Raum, immer stärker in den Fokus: Wie lässt sich eine Infrastruktur schaffen, die Schwächere im Verkehr besser schützt? Wer aufs Rad steigt, kann auch selbst einiges tun, um die eigene Sicherheit zu erhöhen – auch über die gesetzlichen Vorschriften hinaus.

Welche Ausstattung ein verkehrssicheres Fahrrad haben muss, legt die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) fest. Im Mittelpunkt stehen dabei Bremsen und Beleuchtung – so sind zwei voneinander unabhängige Bremsen Pflicht, ein rotes Rücklicht und ein weißer Frontscheinwerfer sind ebenso vorgeschrieben wie Reflektoren vorne und hinten und seitlich in den Speichen oder als Reflexstreifen an Reifen oder Felge. Die Beleuchtung muss das Prüfzeichen des Kraftfahrtbundesamts tragen. Darüber hinaus sind zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale mit je zwei nach vorne und nach hinten wirkenden gelben Rückstrahlern und eine gut hörbare Klingel Pflicht.

„Dynamobeleuchtung ist nicht mehr vorgeschrieben, daher sind auch Batterielampen zulässig. Wer häufig fährt, ist aber mit einer zuverlässigen Lichtanlage mit Nabendynamo gut beraten,“ erklärt René Filippek, Experte des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Allerdings kann man auch zu viel des Guten tun: „Man muss den Scheinwerfer richtig einstellen, um den Gegenverkehr nicht zu blenden. Aus dem gleichen Grund sollte man auch auf Stirnlampen verzichten.“ Sinnvoll sei sowohl für Kinder als auch für Erwachsene das Tragen eines Helms. Kleidung mit reflektierenden Elementen oder eine Warnweste können die Sichtbarkeit und somit die Sicherheit erhöhen.

Darüber hinaus empfiehlt der Experte pannensichere Reifen. Diese haben eine spezielle Verstärkung, die zum Beispiel vor Scherben oder kleineren Nägeln schützt, sind dafür aber schwerer als normale Reifen. Ein Nachteil, den man nach Ansicht von René Filippek in Kauf nehmen sollte: „An das etwas erschwerte Fahren gewöhnt man sich sehr schnell – ein geringer Preis für mehr Sicherheit.“

In erster Linie für ältere Verkehrsteilnehmer mit eingeschränkter körperlicher Fitness empfiehlt sich ein Rückspiegel, der aber keinesfalls den Schulterblick ersetzen darf, weil er, ebenso wie Rückspiegel an Autos, keinen Gesamtblick bieten kann. Ein aktuelles Thema sind Blinker für Fahrräder – bisher nur für mehrspurige Räder zugelassen, wie etwa Rikschas oder Lastenfahrräder. Aufgrund der Breite dieser Fahrzeuge sind Handzeichen der Fahrenden vom nachfolgenden Verkehr oft nicht gut genug erkennbar. Blinker für alle Fahrräder zuzulassen wird derzeit diskutiert.

Gerade bei E-Bikes, die ein anderes Fahrverhalten als normale Fahrräder haben und die in der Unfallstatistik weit vorn liegen, wäre es sinnvoll, beim Abbiegen nicht die Hand vom Lenker nehmen zu müssen. Solch schwierige Situationen könnten durch „optional zulässige Fahrtrichtungsanzeiger entschärft werden“, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium. Große Anbieter haben sich auf den Trend eingestellt und bieten selbst entwickelte Blinkanlagen an.

Offensiv fahren

Am 13. und 14. April findet das Fahrradfestival VELOBerlin am Flughafen Tempelhof statt. Dort sind über 200 ausstellende Fahrradmarken, Händ­ler:innen und Dienstleis­tende aller Fahrrad- und Mobilitätsbereiche vertreten.

Zur Eröffnung verkünden zwei Botschafterinnen und ein Botschafter das diesjährige Motto „Radfahren für alle“. Eine davon ist Katja Diehl aus Hamburg. Die Spiegel-Bestseller-Autorin und Aktivistin ist unter anderem mit ihrem Schwerpunkt auf Mobilität der Zukunft unterwegs: „Es gibt sehr viele Menschen, die gerne Fahrrad fahren würden, sich dabei jedoch nicht sicher genug fühlen. Ich setze mich dafür ein, dass die Straßen sicherer werden, Pkw Platz wegzunehmen und ihn zugunsten von Fuß- und Radwegen umzuwidmen.“

veloberlin.com

Doch nicht nur für Fahrräder gibt es sinnvolle neue Technologien. In Deutschland ereignen sich jährlich 30 tödliche Unfälle bei geringer Geschwindigkeit, wenn ein Lkw an einer Straßenkreuzung nach rechts abbiegt – ein Radfahrer oder Fußgänger direkt rechts neben dem Lkw wird überfahren, weil er in der Schleppkurve des Lkw steht, dem umgangssprachlich toten Winkel. „Eine deutliche Erhöhung der Sicherheit für Rad­fah­re­r:in­nen sind Abbiegeassistenten für Lkw“, erklärt René Filippek. Ein solcher Assistent überwacht beim Rechtsabbiegen den Bereich rechts neben dem Lkw auf Radfahrer und Fußgänger und warnt den Fahrer. „Seit Juli 2022 müssen ganz neue Lkw-Typen damit ausgestattet sein, ab Juli 2024 alle neu zugelassenen Lkw – wir streben an, dass diese Pflicht auch für Bestandsfahrzeuge gelten soll.“

Auch der konsequente Ausbau sicherer und geschützter Radwege ist eine unerlässliche Voraussetzung dafür, Rad­fah­re­r:in­nen erhöhte Sicherheit im Straßenverkehr zu bieten. Fehlender politischer Wille und auch der Mangel an Fach­pla­ne­r:in­nen für die Entwicklung und Umsetzung spezieller Sicherheitskonzepte, so der Experte des ADFC, verzögerten leider oft diese notwendigen Veränderungen.

Der letzten Endes wichtigste Sicherheitsfaktor aber sitzt auf dem Sattel des Fahrrades. Das Einhalten aller Verkehrsregeln, Risikobewusstsein und Umsicht und Vorsicht sind für Radfahrer:innen, weil ganz ohne Knautschzone unterwegs, unerlässlich, weiß René Filippek: „Hier gilt die Devise: Offensiv fahren, präsent und sichtbar sein, aber defensiv denken – also auf mögliche Risiken vorbereitet sein.“