Panzer, Krise, Epilepsie

Das Kofferunternehmen Rimowa lobt einen Designpreis aus. Die Finalisten entwerfen eine düstere Zukunft

Die Weste „RO“ ist ganz sanft, auch wenn die darin befindlichen Roboter mit luftigen Pushs auf Brust und Bauch drücken, bleibt das Kleidungsstück sacht. „RO“ aus Nylongewebe ist ein tragbarer Merge aus fernöstlicher Medizin und Techno-Design. Die weichen Roboter behandeln Akupunkturpunkte, sie können das parasympathische Nervensystem aktivieren. Der derzeit in Kunst und Gestaltung kursierende Begriff der „Care“ scheint hier in ein industrialisierbares Modeprodukt überführt. Entworfen hat die ganzheitliche Luftpanzer-Weste Janne Kramer, Studentin aus Dessau. Sie wurde jetzt für den Rimowa Design Prize nominiert.

Rimowa, die Kölner Marke, ist für ihre funktionalen Reisekoffer bekannt, deren Aluminiumhartschale auch vor dem ruppigsten Gepäckservice am Flughafen schützt und die trotzdem geschmeidig zu den Terminals rollen. Zum zweiten Mal lobt Rimowa den Designpreis „für junge Talente“ aus, „die unsere Zukunft gestalten“. Seine sieben Finalisten zeigen, was angehende Pro­dukt­ge­stal­te­r:in­nen gerade umtreibt. Und manchmal kriegt man den Eindruck, die Zukunft, für die sie entwerfen, befindet sich in einer steten Krise. Schutz, Panzer, Therapie sind häufige Motive dieser Designs. Als smartphoneartiges Gimmick kommt Daniela Lindenbergas „IXO“ daher. Doch es ist ein selbst auferlegbares Überwachungssystem mit Kamera, Mikrofon und GPS-Tracker, um bei Bedrohung sofort Alarm schlagen zu können.

Das Gerät „Epilepsense“ von Angelika Barbie und Sarah Eckerlien besteht aus einem Kopfgewebe mit integrierten Elektroden zur Messung der Gehirnströme und soll Menschen mit Epilepsie unterstützen. Einen fröhlichen Perspektivwechsel legen Dean Weigand und Luise Kempf ein. Die beiden haben das mobile Mobiliar für eine Bar entworfen, an der auch Menschen mit Bewegungseinschränkungen uneingeschränkt ihr Bier trinken können.

Alle Finalisten schlagen Produkte vor, die sich in der Kategorie eines sozialen Designs verorten lassen, im weiten Sinne ein gesellschaftliches Zusammenleben verbessern sollen. Aber bei der Marke Rimowa schlägt so ein soziales Design komisch auf. Zumindest seit der französische Luxuskonzern LVMH im Januar 2017 die Mehrheitsanteile an dem Kofferunternehmen übernahm. Danach hat sich Rimowa einem ordentlichen Rebranding unterzogen, samt gestiegener Preise. Letztes Jahr brachte Rimowa dann eine Edition mit der Juweliermarke Tiffany & Co heraus, auch ein Unternehmen von LVMH. Eine kristalline, glitzernde Oberfläche überzieht dann die funktionale Aluhartschale. Das hat den Charme von Luxus. Der funktioniert freilich durch Exklusivität, nicht durch Inklusivität.Sophie Jung