Das rot-rote Erbe

POLITIKVERGLEICH Erwin Sellering (SPD) erklärt Mecklenburg-Vorpommerns Haushaltskonsolidierung. Über Bremer Finanzen spricht er nicht, obwohl er Senatorin Karoline Linnert (Grüne) hat foppen sollen

Fast alle 14.000 Quadratmeter findet sich in Mecklenburg-Vorpommern – ein Mensch

Bundesländer miteinander zu vergleichen kann höchst sinnvoll sein. Wenn es beispielsweise darum gehen soll, die Bandbreite der regionalen Unterschiede Deutschlands zu benennen, bietet sich die Gegenüberstellung von Bremen und Mecklenburg-Vorpommern (MV) an, das Land mit der zweitgrößten Wirtschaftsleistung und jenes mit der kleinsten, der extrem dicht besiedelte Zweistädtestaat im Westen – und die menschenleeren Weiten vor der polnischen Grenze: Fast alle 14.000 Quadratmeter findet sich in Mecklenburg-Vorpommern – ein Mensch.

Und einer von ihnen war am Freitag auch noch in Bremen, nämlich der Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD). Aus Schwerin angereist war er auf Einladung der Handelskammer, um im Haus Schütting über den „Kurs der soliden Finanzpolitik in Mecklenburg-Vorpommern“ zu referieren. Der gehe, führte der gebürtige Sprockhöveler in prononciertem Ostwestfälisch aus, noch auf den letzten Koalitionsvertrag mit der PDS zurück, unter seinem Vorgänger Harald Ringstorff – beschlossen auch, um den Koalitionspartner zu disziplinieren, und ebenso die eigenen GenossInnen. Auch die SPD sei schließlich „anfällig“ für eine Sozialpolitik aus Transferleistungen.

Die haushalterischen Kennzahlen des seit 2006 mit der CDU fortgesetzten Konsolidierungskurses sind tatsächlich beeindruckend: Die Verschuldung liegt bei 5.870 Euro pro Kopf, neue Kredite nimmt man nicht auf, und aus dem sieben Milliarden-Haushalt hat man eine Rücklage von 500 sowie eine Tilgung von 100 Millionen Euro herausdestilliert. Sellering macht’s Spaß, diese Erfolge auszubreiten. Nicht jedoch lässt er sich von der Handelskammer-Führung dazu verleiten, die eigene Politik als Vorbild für Bremen darzustellen, obwohl die ihn doch eigens eingeladen hatte, um Finanzsenatorin Karo Linnert zu foppen. „Nicht vergleichbar“, nennt er, wie Linnert ein Anhänger seriösen Benchmarkings, die Rahmendaten. „Ich bin gerne zu Ihnen gekommen, um über Mecklenburg-Vorpommern zu sprechen“, sagt er. Und, damit’s auch Handelskammer-Präses Otto Lamotte versteht: „Die Bezüge zu Bremen sind kein Thema.“ Außer vielleicht, dass man gemeinsam auf Bundesebene für die Berücksichtigung der Hafenlasten kämpft – und den gesetzlichen Mindestlohn.

Sexy finden Lamotte und sein Vorgänger Lutz Peper an Sellering doch eher, dass er die Investitionsquote hochhält und sein Land die Wirtschaft pampert, wo es nur kann. Die doofe Linnert macht so was nicht, weshalb Lamotte ihren Kurs als „zu fiskalisch“ rügt. Allerdings liegt das Bruttoinlandsprodukt in Bremen pro Kopf auch gut doppelt so hoch wie das von MV. Der Abbau des öffentlichen Dienstes, den Sellering und sein Vorgänger durchgeführt haben, war eine Reaktion auf eine rasante Landflucht: 1990 hatte man die jüngste Bevölkerung aller Bundesländer, mittlerweile fast die älteste, die Schülerzahl ist binnen zehn Jahren um zwei Drittel gesunken. Zahllose LehrerInnen hatte man deshalb zwangsweise auf Teilzeit gesetzt. Bremen dagegen hofft, seine 1,3-prozentige Kürzung im Bildungshaushalt durch die demografische Rendite auszugleichen. Sicher ist das nicht. BES