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Wenn vom Freund und Helfer nicht die Rede ist

In der rechten Hand hält sie ein Messer. Die Klinge ragt deutlich aus dem Ärmel ihrer Jacke. Mit der linken Hand rammt sie anderen Fahrgästen ihren Hackenporsche gegen die Knie und fuchtelt dazu auf Bauchhöhe mit dem Messer herum. Sogar die Gruppe selbstbewusster junger Männer weicht erschrocken zurück. „Alter, die ist doch verrückt“, sagt einer.

Am Berliner Hauptbahnhof steigt die Frau aus der S-Bahn, ich folge ihr und mache mich auf die Suche nach einem Polizisten oder so was ähnlichem. Gar nicht so leicht, es ist viel los und ich will die Frau im Auge behalten. Dann erwische ich einen Polizisten, muss erst ein paar Schritte neben ihm hergehen, weil er nicht stehenbleiben will. Ich schildere ihm, dass da diese Frau mit Messer rumläuft und Leuten damit deutlich zu nah kommt. Er guckt mich irgendwie gelangweilt an.

Berlin

3.755.300 Ein­wohner*innen.

In der gerade veröffentlichten Berliner Kriminal­statistik für 2023 werden 3.482 Fälle mit einem Messer als Tatmittel gelistet, 165 mehr als im Vorjahr. Insgesamt wurden 536.697 Straftaten registriert.

Wie lang die Klinge sei, will er wissen. Ich deute auf die Frau, die nur ein paar Meter von uns entfernt mit gezücktem Messer vor einer der Rolltreppen steht. „Aha. Und was soll ich da jetzt machen?“, fragt er. Es gab Situationen, in denen ich mir so eine Frage aus dem Mund eines Polizisten gewünscht hätte. Diese gehört nicht dazu. Ilka Kreutzträger