„Ich frage mich ständig, wann wir zurückkehren können“

Bashir al-Ankah hält sich derzeit in Deir al-Balah auf Foto: privat

Bashir al-Ankah, 52, ist Mitarbeiter der palästinensischen NGO Union of Agricultural Work Committees (UAWC). Mit seiner Frau und drei Kindern (12, 17, 18) ist er kurz nach Beginn des Krieges aus dem nördlichen Gaza ins zentral gelegene Deir al-Balah geflohen.

Meine Kinder waren so glücklich, als es vor ein paar Tagen zum ersten Mal wieder Hühnchen und Gemüse gab – zum ersten Mal seit fünf Monaten. Auf dem Markt hier in Deir al-Balah gibt es wieder Lebensmittel, seitdem mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen gelangen. „Hoffentlich bleibt es so“, sagten meine Kinder beim Abendessen.

Es hat mich glücklich gemacht, sie so glücklich zu sehen. Wir leben hier in einem Klassenzimmer einer Schule – insgesamt finden hier 5.000 Menschen Unterschlupf. Nicht alle der Familien können es sich leisten, auf dem Markt einzukaufen. Die Preise sind zwar etwas gesunken, aber sie sind immer noch sehr hoch. Bei der Verteilung von Hilfsgütern und Trinkwasser an der Schule kommt es fast jeden Tag zu Konflikten.

Dann ist da natürlich noch das Problem, dass die Sanitäranlagen gnadenlos überfüllt sind. Manchmal muss man 30 Minuten warten, um auf Toilette gehen zu können. Die Situation ist ziemlich kompliziert.

Seit Oktober harren wir hier in der Schule aus. Zwei Tage nach Kriegsbeginn mussten wir unser Haus im Norden Gazas verlassen. Sechs Stunden lang waren wir umgeben von intensivem Bombardement und durch einen Feuergürtel in unserem Haus eingeschlossen. Schließlich konnten wir uns in eine andere Schule im Al-Schati-Flüchtlingslager westlich von Gaza-Stadt retten. Wir blieben drei Tage dort, bis die israelischen Streitkräfte Flugblätter abwarfen, in denen sie uns aufforderten, Richtung Süden zu gehen.

Abends kamen wir in Deir al-Balah an, schliefen dort auf der Straße und fanden schließlich am nächsten Tag die Schule. Es war wirklich schwer. Wir verbrachten jeden Tag damit, nach Wasser und nach Nahrung zu suchen, in den Straßen roch es nach Tod, und wir hörten die Geräusche der Artillerie und Flugzeuge.

Seit nunmehr sechs Monaten denke ich fast ununterbrochen an unser Haus im Norden von Gaza und wann wir dorthin zurückkehren können – morgens, abends, wenn ich einschlafe, wenn ich aufwache. Es liegt in Beit Lahia und hat zwei Stockwerke. Zehn Jahre hat es gedauert, bis wir es fertig gebaut und eingerichtet haben. Ein Freund, der noch im Norden von Gaza ist, hat mir ein Foto unseres zerstörten Hauses gezeigt. Es ist schwer zu beschreiben, wie es sich für mich anfühlt, wenn ich das Foto ansehe. Es ist schwer zu glauben, dass all diese Dinge, die uns so lieb und teuer waren, einfach zerstört sind.

Vor dem Krieg haben wir Landwirtschaft betrieben. Die Obstplantagen wurden von israelischen Bulldozern entwurzelt und zerstört. Im Moment habe ich kein Geld, um das Haus wieder aufzubauen. Aber wenn wir zurückkommen, werde ich neue Obstplantagen pflanzen. Dass unsere Situation so verheerend werden könnte, hätten wir uns nicht vorstellen können. Ich hätte nicht gedacht, dass die Rache eines Landes ein solches Ausmaß annehmen würde. Sollten sie nicht Vorreiter in Sachen Menschenrechte sein? Viele von ihnen haben doch während der Weltkriege unter Verfolgung gelitten.

Ich rede nicht gerne von den Opfern, von Verwüstung und Tod, und ich bin sehr traurig, wenn ich von den Opfern höre, die getötet wurden, auch wenn sie auf der anderen Seite sind. Trotz all dem, was wir durchmachen, hoffe ich, dass eines Tages der Frieden kommen wird und dass alle in Frieden, Liebe und guter Nachbarschaft miteinander leben werden.

Protokoll: Judith Poppe