Streit um Straßennamen in Hamburg: SPD verhindert Friedensschluss

Eine Initiative, Grüne und Linke möchten, dass die Sedanstraße in Hamburg-Eimsbüttel umbenannt wird. Daraus dürfte so bald aber nichts werden.

Gemälde: Prußischer König Wilhelm mit seinem Stab am Abend nach der Schlacht bei Sedan, 2. September 1870 / digitally improved reproduction

So soll es ausgesehen haben am 2. September 1870: der Preußische König Wilhelmam Abend nach der Schlacht bei Sedan Foto: H. Tschanz-Hofmann/imago

HAMBURG taz | Droht ein Kulturkampf im Hamburger Grindelviertel? Um den richtigen, weil aufrichtigen Umgang mit der deutschen Geschichte, die ja an Problematischem nicht arm ist? Die Abgeordneten der Bezirksversammlung Eimsbüttel – genauer: die Mitglieder von deren Hauptausschuss – haben am 11. April einen Antrag von Grünen und Linken auf der Tagesordnung, der verlangt, die örtliche Sedanstraße umzubenennen.

Die erinnert wie viele andere Straßen und Plätze in der Bundesrepublik an einen Sieg deutscher, vor allem preußischer Truppen vor über 150 Jahren. Nicht irgendeinen Sieg: Am 1. und 2. September 1870 wurde die französische Kleinstadt Sedan, nahe der belgischen Grenze, Schauplatz der entscheidenden Schlacht des Deutsch-Französischen Krieges.

Wegen der folgenden französischen Kapitulation erhielt die Schlacht im Deutschen Reich eine besondere Bedeutung. Der „Sedantag“, der 2. September, war nie flächendeckend offizieller Feiertag – aber zwischen 1876 und 1896 in Bremen, immerhin. Gefeiert wurde trotzdem, und wie: Es gab Gottesdienste, Turnfeste, Militärparaden und Konzerte. „Jeden Sedang erzähl’ ich die Geschichte in ädlen Worten meiner Klasse“, lässt Heinrich Mann im Roman „Der Untertan“ von 1914 einen Professor sagen: „Die Jungen solln wissen, was sie für Heldenväter gehabt haben.“

Manche Zeitungen erschienen seinerzeit zu diesem Datum nicht: Die Belegschaft sollte Zeit und Muße haben für die nationale Sache. Zum Schluß sangen wir: ‚Deutschland, Deutschland über alles‘, und so war die schöne Feier beendet“: So ist es überliefert von einer schulischen Sedanfeier im holsteinischen Bargteheide im Jahr 1912. Veteranen wurden geehrt, Kränze niedergelegt, Denkmäler eingeweiht – und sicher auch manche Straße.

Viele Spuren bis heute

Sedanstraßen, seltener auch -plätze, gibt es bis heute in der Republik, „von fast 100“ wusste die taz vor etwas mehr als drei Jahren zu berichten. Eine Umbenennung erwogen, auch gefordert wurde schon hie und da, so auch ziemlich genau vor drei Jahren in Hannover: Damals hatte die Ratsgruppe aus Linken und Piraten „ein Konzept zur weiterreichenden wissenschaftlichen Betrachtung von namensgebenden Persönlichkeiten und historischen Epochen in Hannover“ angeregt. Eine Sedanstraße gibt es in der niedersächsischen Landeshauptstadt bis heute.

Noch nicht lange aktiv war vor drei Jahren die Hamburger Initiative, auf deren Arbeit nun der Antrag von Grünen und Linken aufbaut: 2020 hatten sich Studierende, das Bündnis für ein Hamburger Deserteursdenkmal und andere Frie­dens­ak­ti­vis­t*in­nen zusammengetan zur „Initiative Sedanstraße umbenennen!“. Ihr Anliegen seitdem: „Diese Benennung nach einer siegreichen Schlacht zu heilen“, so heißt es nun im grün-linken Umbenennungsantrag.

Eine Alternative schlug die Ini vor: Heißen soll die kleine Straße im Stadtteil Rotherbaum nach dem Deserteur, Friedensaktivisten und Humanisten Ludwig Baumann. So fordern nun auch Grüne und Linke: „Die Bezirksamtsleiterin wird gebeten, eine Umbenennung der Sedanstraße in ‚Ludwig-Baumann-Straße‘ von der Senatskommission für die Benennung von Straßen prüfen zu lassen und bei Erfüllung aller rechtlichen Voraussetzungen zu initiieren.“

Große Aussicht auf Erfolg indes hat die Unternehmung nicht. So hat eine Anwohner:innen-Initiative eine Onlinepetition angeschoben, deren Zuspruch bislang aber überschaubar ist. Schwerer wiegt, dass sich die CDU- und SPD-Fraktionen gegen eine Umbenennung ausgesprochen haben. „Das wird es mit uns nicht geben“, so hatte sich im Februar vergangenen Jahres bereits die CDU-Bezirksabgeordnete Jutta Höflic, positioniert. „Auch wir sind natürlich gegen die Glorifizierung von Gewalt“, zitierte damals das Hamburger Abendblatt die kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion – „aber wenn es nur danach ginge, müsste man in Hamburg zig Straßennamen umbenennen.“

SPD will „Auseinandersetzung“

Hatte ihr Pendant bei den Sozialdemokrat:innen, der Bezirksabgeordnete Ernst Christian Schütt, Anfang 2023 noch grundsätzliche Aufgeschlossenheit auch für Umbenennungen signalisiert, ist er dieser Tage dagegen: „Wir als SPD-Fraktion möchten die Sedanstraße nicht umbenennen“, sagt Schütt der taz. „Wir müssen uns mit Geschichte auseinandersetzen – kritisch – und soweit möglich aus ihr lernen. Sie so einfach aus dem Blickfeld zu nehmen, ist nicht der richtige Weg.“

Stattdessen plädiere die Eimsbütteler SPD für „die historische Einordnung und Ausein­andersetzung auch im öffentlichen Raum: durch ein Schild, durch QR-Codes, da gibt es verschiedene Möglichkeiten“, so Schütt. Das erinnert an Ideen des – ebenfalls sozialdemokratischen – Kultursenators Carsten Brosda zur Zukunft des kolossalen Bismarck-Denkmals oberhalb des Hamburger Hafens.

Die SPD-Fraktion im Bezirk „stellt sich nicht offen einer inhaltlich-sachlichen Diskussion“, sagt indes Johanna Meyer-Lenz von der Umbenennungs-Ini. Deren Gesprächsangebote seien von den So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen „wiederholt“ ausgeschlagen worden. Die Historikerin betont, wie sehr der Name Sedanstraße „der militaristischen und antipartizipativen Ideologie des Wilhelminismus im Zeitalter des europäischen Imperialismus geschuldet“ sei.

Daran festzuhalten, so Meyer-Lenz, „ist ein Anachronismus, ein Affront Frankreich gegenüber“. Für den im Raum stehenden, vielleicht als Kompromiss zu verstehenden Vorschlag der Beibehaltung des Namens bei gleichzeitiger Kommentierung nennt sie „einen lächerlichen Versuch, der zeigt, dass man nicht bereit ist, konsequent zu Ende zu denken“.

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