Shoppen auf Online-Marktplätzen: Verbraucher plötzlich Importeur

Internet-Händler wie Temu oder Amazon sind häufig auch Marktplätze, machen das aber nicht immer transparent. Für Kun­d:in­nen birgt das Risiken.

Eine Person hält ein Telefon mit der App Temu in den Händen.

Für Ver­brau­che­r:in­nen ist häufig nicht direkt erkennbar, wer der Vertragspartner für die jeweilige Bestellung ist Foto: Hannes P Albert/dpa

Wer im Internet bestellt, stößt fast zwangsläufig auf sie: Marktplätze. Manchmal stecken sie hinter bekannten Namen wie Kaufland, manchmal sind es Newcomer wie Temu und mal tritt derselbe Anbieter sowohl als Marktplatz als auch als Verkäufer auf, wie bei Amazon oder Otto. Das Wesen der Marktplätze: Die Unternehmen agieren nicht selbst als Verkäufer der angebotenen Waren oder Dienstleistungen, sondern als Vermittler, der Kun­d:in­nen und Händler zusammenbringt.

Für Kun­d:in­nen ist häufig nur bei sehr genauem Hinsehen erkennbar, wer der Vertragspartner für die jeweilige Bestellung ist. Vor allem dann, wenn die Marktplätze den Versand für die Händler übernehmen. Dabei ist durchaus relevant, wer welche Rolle hat. So ist zum Beispiel der Händler erster Ansprechpartner bei Gewährleistungsansprüchen, wenn also ein Produkt fehlerhaft ist.

Besonders schwierig wird das jedoch, wenn der Händler außerhalb der EU sitzt. Das ist bei der Plattform Temu regelmäßig der Fall. Das Unternehmen wurde vor nicht einmal zwei Jahren gegründet, ist aber die 2023 in Deutschland am häufigsten heruntergeladene Shopping-App. Sie bringt Anbieter aus China mit Kun­d:in­nen vor allem in den USA und Europa zusammen.

„Nach der derzeitigen Rechtslage ist der Verbraucher in solchen Fällen der Importeur“, sagt Stefanie Grunert, Handelsexpertin beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Importeure hätten eigentlich besondere Pflichten. So müssten sie beispielsweise die Dokumente zur CE-Kennzeichnung prüfen, die die EU-Anforderungen an Sicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz nachweisen soll.

Mögliche Risiken beim Verbraucherschutz

Zwar sei ihr bislang kein Fall bekannt, in dem die Marktüberwachung tatsächlich an Ver­brau­che­r:in­nen herangetreten sei und etwa die CE-Dokumentation von ihnen angefordert habe. Aus der entsprechenden EU-Richtlinie gehe außerdem hervor, dass Ver­brau­che­r:in­nen im Gegensatz zu einem gewerblichen Importeur auch nicht stellvertretend haften, etwa wenn sie das Produkt weitergeben.

Dennoch: „Rechtlich gesehen übernimmt man als Ver­brau­che­r:in hier Pflichten, hat aber, wenn etwas passiert, selbst kaum Möglichkeiten die eigenen Rechte durchzusetzen“, sagt Grunert. So etwa im Fall eines fehlerhaften Produktes oder wenn ein Produkt durch einen Defekt einen Schaden verursacht. Löst etwa ein fehlerhaftes Elektrogerät einen Brand aus, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Betroffenen auf dem Schaden sitzen bleiben.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) äußerte Ende März in einem Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Sorgen über Lücken in der Rechtsdurchsetzung. „Die Defizite in der Rechtsdurchsetzung führen zu Wettbewerbsverzerrungen auf Kosten europäischer Unternehmen und zu Risiken beim Verbraucherschutz“, erklärte der stellvertretender HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp.

Die EU versucht, durch eine Reihe an Gesetzen die Position der Ver­brau­che­r:in­nen zu verbessern. Zum Beispiel mit dem Digital Services Act (DSA), dem Gesetz über digitale Dienste, dessen Regeln im Februar vollständig wirksam geworden sind. Der DSA verpflichtet die Marktplätze unter anderem, die Händler besser zu prüfen und bei Beschwerden schneller zu reagieren – und gegebenenfalls zu sperren.

Die neue Produkthaftungsrichtlinie, auf die sich die EU-Gremien im Dezember geeinigt haben, soll darüber hinaus eine Haftungskaskade aufbauen: Wenn Händler und Hersteller im Schadensfall nicht greifbar sind, soll gegebenenfalls direkt der Marktplatz in die Verantwortung genommen werden können.

Außerdem wird es vor Gericht Beweiserleichterungen für die Ver­brau­che­r:in­nen geben. Bei komplexen Produkten wie Smartphones soll dann der Hersteller beweisen müssen, dass sein Produkt fehlerfrei war. Bis die neue Produkthaftungsrichtlinie greift, wird es allerdings noch mindestens zwei Jahre dauern, so lange läuft die Umsetzungsfrist. Und selbst dann werden wahrscheinlich erst einmal Gerichte klären müssen, wie weitgehend die Haftung der Marktplätze ist.

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