Polizeigewalt in Düsseldorf: Rechtmäßig eingekesselt

2021 ging die Polizei in NRW hart gegen Demos für Versammlungsfreiheit vor. Nun entschied ein Gericht: Das Vorgehen sei meist rechtens gewesen.

Polizisten kesseln einen Teil der Demonstranten, die in Düsseldorf gegen das geplante Versammlungsgesetz in Nordrhein-Westfalen protestieren

Rabiates Vorgehen: Der Polizeikessel in Düsseldorf am 26. Juni 2021 Foto: Roberto Pfeil/dpa

DÜSSELDORF taz | Der Polizeikessel, mit dem hunderte Menschen am 26. Juni 2021 ausgerechnet bei einer Demonstration gegen das restriktive NRW-Versammlungsgesetz festgehalten wurden, war in Teilen rechtmäßig. Das ist der Tenor von drei Urteilen, die das Verwaltungsgericht Düsseldorf am Mittwochabend nach über neunstündiger Verhandlung verkündete. Vorangegangen waren Klagen der Demo-Veranstalter und Eingekesselten.

Block 7 – der Antifa-Block der Demo – habe eine „unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ dargestellt, da aus diesem Straftaten wie „Körperverletzungen“ und „Angriffe auf Amtsträger“ erfolgt seien, erklärte die Vorsitzende Richterin Andrea Houben zur Begründung. Dass dabei auch völlig friedlich Protestierende „als Beifang“ festgesetzt und damit ihrer Demonstrationsrechte beraubt wurden, sei grundsätzlich hinzunehmen.

Allerdings müsse die Polizei verhältnismäßig vorgehen, so die Kammer. Die Einkesselung des damaligen Landesvorstands der Linken, Amid Rabieh, sowie der Sprecherin des Bündnisses Versammlungsgesetz NRW stoppen, Gizem Koçkaya, sei rechtswidrig gewesen: Wie auf Dutzenden bei der Verhandlung gezeigten Polizeivideos zu sehen war, hatte Rabieh völlig gewaltfrei demonstriert und dabei ständig ein Transparent der Linken in Händen gehalten. Inzwischen ist Rabieh Vize-Parteivorsitzender des Bündnis Sahra Wagenknecht. Auch Koçkaya habe sich nie in Block 7 aufgehalten, erklärte das Verwaltungsgericht.

Die Demo-Anmelder Mischa Aschmoneit und Martin Behrsing kritisierten die Urteile scharf – und kündigten weitere juristische Schritte an. „Die Interpretation des Gerichts ist nicht nachvollziehbar“, sagte Aschmoneit der taz unmittelbar nach Prozessende. Die Demonstration sei weitgehend friedlich abgelaufen. Auch deren Anwältin Anna Busl sprach deshalb von einem „äußerst angreifswürdigen Urteil“.

Sogar Reul sieht Fehler durch Polizei

Aus dem Antifa-Block 7, der sich zum Zeitpunkt der Einkesselung gegen 18 Uhr längst mit anderen Protestierenden vermischt hatte, sei es nur zu einzelnen Tritten und Schlägen auf Po­li­zis­t:in­nen gekommen – und die seien eine Reaktion auf Versuche der Be­am­t:in­nen gewesen, die Demo zusammenzudrücken und den Teil­neh­me­r:in­nen Transparente zu entreißen. Eine weitere Demonstration gegen das Gesetz im August 2021 verlief völlig problemlos.

Tatsächlich war die Polizei bei den ersten Protesten im Juni mit großer Härte gegen die Protestierenden vorgegangen. Die Demo-Organisator:innen sprachen von rund 100 Verletzten, besonders durch Schlagstockeinsatz und Pfefferspray. Videos zeigen, wie Po­li­zis­t:in­nen Menschen bis in Tiefgaragen verfolgten und dort mit Gewalt zu Boden brachten. Mit einem Schlagstock geprügelt wurde auch ein Pressefotograf der Nachrichtenagentur dpa. Deren Chefredakteur sprach daraufhin von einem „nicht hinnehmbaren Angriff auf die Pressefreiheit“.

Selbst der als „schwarzer Sheriff“ geltende CDU-Innenminister Reul hatte danach Fehler seiner Polizei eingeräumt. Verbesserungsfähig sei nicht nur der Umgang mit 38 Minderjährigen gewesen, deren Eltern erst Stunden nach deren Einkesselung über die Festsetzung ihrer Kinder informiert worden seien. Auch seien eigens für den Kessel bestellte Toiletten nicht geliefert worden – Demonstrierende mussten stattdessen Gullys nutzen, die notdürftig mit Transparenten abgeschirmt wurden.

Auch die Gewalt gegen den dpa-Fotografen verurteilte Reul Anfang Juli 2021 im Landtag: „Für mich war er klar als Fotograf und Journalist erkennbar“, musste der Christdemokrat nach Ansicht von Polizeivideos einräumen. „Ich hätte mir gewünscht, die Beamten hätten einen Bogen drum gemacht.“

Die Repression traf ausgerechnet eine Demo gegen Repression: Anlass für den Protest war die Einführung eines Landes-Versammlungsgesetzes, mit dem die damalige schwarz-gelbe Landesregierung das Demonstrationsrecht einschränken wollte. Nur in wenigen Teilen entschärft wurde das Gesetz im Dezember 2021 auch beschlossen. Zuvor galt im bevölkerungsreichsten Bundesland das liberalere Bundesversammlungsgesetz.

Abgemildert wurde im Gesetzestext nur das sogenannte „Gewalt-und Einschüchterungsverbot“, mit dem unter ausdrücklichem Hinweis auf Hitlers „SA und SS“ einheitliche Kleidung von Protestierenden verboten werden sollte. Untersagt ist jetzt nur noch das „Tragen von Uniformen“ und „paramilitärisches Auftreten“. Nicht nur die oft in weißen Overalls auftretende Klimabewegung, sondern auch Fußballfans und Gewerkschaften hatten wegen der Passage um ihr Demonstrationsrecht gefürchtet – schließlich wären wohl auch Zusammenkünfte von Belegschaften in einheitlicher Berufskleidung unter Reuls „Einschüchterungsverbot“ gefallen.

Doch der NRW-Innenminister schaffte es, sogar in seinem nachgebesserten Gesetzesentwurf noch Verschärfungen unterzubringen. Proteste auf Autobahnen wurden – wohl besonders mit Blick auf die Klimabewegung – ausdrücklich untersagt. Legalisiert wurde dagegen eine exzessive Videobeobachtung etwa durch Drohnen und aus Hubschraubern. Das Bündnis Versammlungsgesetz NRW stoppen hat deshalb zusammen mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte Verfassungsbeschwerde beim Landesverfassungsgerichtshof in Münster eingereicht.

Dennoch wurde die Anwendung des Gesetzes auch von der seit 2022 amtierenden schwarz-grünen NRW-Landesregierung über die Verwaltungsgebührenordnung noch einmal verschärft. Danach sollen Demo-Organisator:innen für die Kosten eines Polizeieinsatzes aufkommen müssen, „wenn die Ansammlung die öffentliche Sicherheit oder Ordnung beeinträchtigt“ – die Gebühr kann bis zu 50.000 Euro beantragen. „Statt einer lebendigen Zivilgesellschaft wünscht sich Herbert Reul Friedhofsruhe“, kritisiert deshalb die Sprecherin des Bündnisses Versammlungsgesetz NRW stoppen, Gizem Koçkaya: „Und die Grünen machen mit.“

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