das wird
: „Ich kenne das Gefühl, als Fremde in einem Land zu leben“

Für den Film „Istina“ haben Tamara Denić und ihr Team den Studenten-Ocar bekommen: Heute ist Premiere

Interview Wilfried Hippen

taz: Frau Denić, in Ihrem Kurzfilm „Istina“ geht es um eine serbische Journalistin, die mit ihrer Tochter vor serbischen Rechtsradikalen nach Deutschland flieht. Wird da eine Geschichte erzählt, die vor allem Ihnen am Herzen liegt?

Tamara Denić: Uns allen liegt die Geschichte am Herzen, dem ganzen Team: Das Drehbuch stammt von David M. Lorenz, André Stahlmann war Kameramann und Christian Siée hat „Istina“ produziert. Aber es stimmt, ich bin im Team die Einzige, die diesen kulturellen Hintergrund hat. Und ich wollte dies gerade bei meinem Abschlussfilm an der Media School mit einfließen lassen, weil es Teil meiner kreativen Identität ist. Ich habe die anderen im Team dann gefragt, ob sie daran interessiert sind. Und die fanden das toll.

Und warum haben Sie sich entschieden, die Filmhandlung in Serbien zu verorten?

Ich komme ja aus Bosnien, habe aber auch Familie in Serbien. Vor allem aber aus geopolitischen Gründen haben wir uns für Serbien entschieden. Als wir den Film entwickelt haben, hatte gerade der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine begonnen und in dieser Zeit sind in Serbien extreme Pro-Russland-Demonstrationen eskaliert.

Foto: Andreas Wunderlich

Tamara Denić

1992 in Jugoslawien geboren, ist sie 1993 mit ihrer Mutter nach Deutschland emigriert, hat Filmregie an der Hamburg Media School studiert. „Istina“ war ihr Abschlussfilm.

Bei solch einem Film geht es ja um Nuancen: Den anderen in Ihrem Team waren Milieu und Thema eher fremd. Wie haben Sie dieses Problem gelöst?

Wir haben zusammen eine Recherchereise nach Serbien gemacht und waren da eine Woche lang zusammen, um die Mentalität der Menschen zu beschnuppern. Davon hat sich unser Drehbuchautor inspirieren lassen. Wir haben eng zusammengearbeitet und ich habe ihm Input gegeben. So habe ich zum Beispiel erzählt, dass im Balkan quasi alle rauchen und schwarzen Kaffee trinken. Und dass auch jede Oma irgendwie so ist wie meine. Unsere Oma im Film ist quasi Repräsentationsfigur für eine ganze Generation.

Und erkennen Sie sich selbst nicht in dem Kind wieder, das zusammen mit seiner Mutter nach Deutschland flieht?

Filmvorführung „Istina“: Mo, 29. 4., 19 Uhr, Abaton, Allende-Platz 3, Hamburg, Eintritt frei, Anmeldung erbeten unter www.fes.de/Ink/istina

Ich bin auch mit einer alleinerziehenden migrantischen Mutter in Deutschland aufgewachsen und kenne das Gefühl, in einem Land als Fremde zu leben. Ich sehe mich nicht als Deutsche, aber auch nicht als Bosnierin. Und ich frage mich, was wäre gewesen,wenn es den Jugoslawienkrieg nicht gegeben hatte. Wäre ich dann auch eine Regisseurin geworden? Oder vielleicht schon dreifache Mutter?

Ihr Film wird ja heute in einer Sondervorführung im Hamburger Abaton-Kino vorgeführt, aber er ist auch in der ARD-Mediathek abrufbar. Was denken Sie darüber?

Uns ist es wichtig, mit dem Film so viele Leute wie möglich zu erreichen, und die ARD Mediathek ist dafür die perfekte Plattform. Aber das Kino bietet mit der großen Leinwand und dem perfekten Tonsystem ein ganz anderes Erlebnis. Es ist ein Event, und im Anschluss gibt es eine Diskussion mit mir und Tilman Clauß von „Reporter ohne Grenzen“ Das ist eine große Ehre.