Wieder­gut­machung im Fokus

Offensive Forderungen auf dem afrikanischen Kontinent. Die Debatte wird global lauter

Von Katrin Gänsler, Cotonou

Weltweit wird die Debatte über Aufarbeitung des transatlantischen Sklavenhandels und Reparationszahlungen lauter. Erst Mitte April forderten Menschen afrikanischer Abstammung während eines Forums der Vereinten Nationen zusätzliche Mittel für die Wiedergutmachung der Folgen des transatlantischen Sklavenhandels

Mehr Aufmerksamkeit hat vergangenes Jahr Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo erhalten. Vor den Vereinten Nationen betonte der 80-Jährige, kein Geldbetrag würde jemals die Schrecken des transatlantischen Sklavenhandels und der jahrhundertelangen kolonialen Ausbeutung wettmachen. Aber Entschädigungszahlungen würden deutlich machen, dass „Böses begangen wurde, dass Millionen produktiver Afrikaner der Arme unseres Kontinents entrissen und in Amerika und der Karibik ohne Entschädigung zur Arbeit gezwungen wurden“.

Akufo-Addo hat deshalb Europa und die USA aufgefordert, endlich anzuerkennen, dass sich der enorme Reichtum, den sie genießen, auf Schweiß und Tränen des afrikanischen Kontinents stützt. Bevor allerdings die Debatte um Reparationszahlungen beginne, verdiene der ganze Kontinent eine formelle Entschuldigung von Europa und allen anderen beteiligten Nationen.

In einer gemeinsamen Erklärung hatten die Europäische Union und der Karibikstaatenbund Celac vergangenes Jahr erstmals anerkannt, dass der Sklavenhandel ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ darstelle. Was daraus folgt, blieb allerdings hoffen. Ein Ausschuss des EU-Parlaments empfahl Ende 2023 die Einrichtung eines ständigen EU-Forums, um über „Maßnahmen restaurativer Gerechtigkeit“ zu beraten. Der niederländische König Willem-Alexander bat vergangenes Jahr um Verzeihung für das Unrecht, das Hunderttausende Menschen durch die Sklaverei erlitten haben. In Großbritannien haben Nachfahren von Sklavenhändlern teilweise eigene Initiativen ergriffen, um Wiedergutmachung zu leisten.

Westlicher Reichtum basiert auf Schweiß und Tränen des afrikanischen Kontinents: Ghanas Präsident Akufo-Addo fordert, das anzuerkennen

Weiter ist die Debatte in den USA, wo bis heute Millionen von Nachfahren ehemaliger Sklaven leben. Bereits im Jahr 2020 hatte der US-Bundesstaat Kalifornien als Erster eine „Reparation Task Force“ eingesetzt, um Fragen zur Wiedergutmachung zu beraten. In dem nun veröffentlichten Bericht heißt es, dass die Sklaverei bis heute Spuren in den USA hinterlassen habe – wie etwa das große Wohlstandsgefälle. Empfohlen werden in dem Bericht laut New York Times Zahlungen in Höhe von insgesamt bis zu 800 Milliarden US-Dollar an Kali­for­nier:in­nen, die Nachkommen versklavter Afroamerikaner oder freier Schwarzer sind, die vor dem Ende des 19. Jahrhunderts in den USA lebten. Mittlerweile berät das Landesparlament zwar über verschiedene Vorschläge, nicht jedoch über direkte Zahlungen.

Bisher aber weltweit kaum debattiert wird die Rolle afrikanischer Herrscher während der Zeit des Sklavenhandels. Die Ashanti – das frühere Reich liegt im heutigen Ghana – tauschten ab dem 18. Jahrhundert versklavte Menschen gegen Schusswaffen ein, die für Kriege in der Region genutzt wurden. Auch Sklaven im einstigen Königreich Dahomey, das rund 20 Prozent der Staatsfläche des heutigen Benin ausmacht, wurden gegen Waffen eingetauscht oder mussten Zwangsarbeit in der Landwirtschaft leisten. Die Skla­v:in­nen gehörten häufig anderen ethnischen Gruppen an und waren bei Auseinandersetzungen gefangen genommen worden. Vor 20 Jahren schrieb die ghanaische Historikerin Akosua Perbi, dass der transatlantische Sklavenhandel damals den indigenen Sklavenhandel nicht verdrängt habe. Beide Systeme hätten nebeneinander existiert und sich gegenseitig gestützt.