Lehrstunde Steuerreform: Was Adenauer Lindner lehren kann

Die Ampel streitet über den Bundeshaushalt 2025. Der Finanzminister will an Außen- und Entwicklungspolitik sparen, trotz Alternativen.

Münze mit dem Kopf von Adenauer.

Stock­konservativ, aber solidarisch: Konrad Adenauer auf einer alten D-Mark Foto: imago

Worum geht es?

Die Ampel trudelt schon wieder in eine Krise. Rund 20 Milliarden Euro fehlen im Haushalt 2025. Es geht also um Geld, da wird es immer ernst. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) versteht bei der Schuldenbremse keinen Spaß. Er will sparen. Bluten sollen etwa das Außenministerium, dessen Etat um mehr als ein Viertel geschrumpft werden soll, und das Entwicklungshilfeministerium, das noch einmal auf eine Milliarde verzichten soll. Dumm, dass beide in den globalen Krisen für Deutschland gerade besonders wichtig sind. Also sinnlos sparen, bis es kracht? Das muss nicht sein. Die schwäbische Hausfrau weiß: Wenn Geld fehlt, kann man entweder sparen oder sich mehr Geld besorgen. Wir haben uns ein paar Vorschläge angeschaut, die alle in der Praxis erprobt sind.

Wie wäre es mit einer höheren Erbschaftsteuer?

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Wer Gleichheit für erstrebenswert hält, hält die Erhöhung der Erbschaftsteuer selbstverständlich für eine gute Idee. Erben ist ja leistungsloses Einkommen. Durchschnittsverdiener zahlen in Deutschland mehr als 40 Prozent Steuern und Abgaben – so viel wie sonst kaum in den OECD-Ländern. Auch wer wenig verdient, zahlt prozentual viel. Wer hingegen erbt, zahlt oft sehr wenig Steuern. Wer sehr viele Millionen erbt, noch weniger. Warum das so sein muss, versteht nur der Lobbyverband der Familienunternehmer. Es passt eher zu einer feudalen Gesellschaft als zu einer leistungsfixierten Marktgesellschaft, in der sich doch arbeiten und nicht erben lohnen soll.

Aber: Die Erbschaftsteuer ist eine Ländersteuer. Steuern erhöhen ist sowieso schwierig. Eine Einigung in der Regierung, dem Bundestag, dem Bundesrat und den Bundesländern zu erzielen, die etwas taugt, ist ungefähr so leicht, wie den Nahostkonflikt zu lösen. Eine höhere Erbschaftsteuer wäre trotzdem schön für die Bundesländer, die zum Beispiel mehr Personal für Schulen einstellen könnten. Und würde den Bundeshaushalt indirekt entlasten. Etwa wenn die Länder mal wieder Geld fürs 49-Euro-Ticket oder für die Versorgung Geflüchteter fordern.

Wäre eine Vermögensteuer die Lösung?

Die Vermögensteuer ist der zweite Dauerbrenner in Steuerdebatten. Sie wurde 1997 aus Gründen abgeschafft, an die sich niemand mehr genau erinnern kann, und wäre ein Instrument, um zwei Ziele zu erreichen: Die öffentliche Hand hätte mehr Geld, und die in Deutschland extrem große Spreizung der Vermögen könnte gebremst werden. Die untere Hälfte besitzt gar nichts, die oberen 1 Prozent mehr als ein Drittel. Oben könnte man also ruhig abschöpfen. In der Schweiz gibt es eine Vermögensteuer von 1 bis 5 Prozent, die ab einer Million fällig wird. Würde man in Deutschland eine Vermögensteuer nach Schweizer Vorbild einführen, kämen über 70 Milliarden Euro pro Jahr zusammen. Das würde, weil die Vermögensteuer auch eine Ländersteuer ist, Lindner direkt nichts nutzen, aber die Haushalte der Bundesländer renovieren, siehe oben.

Was kann Lindner von Helmut Kohl lernen?

Eine besonders weitsichtige Idee (Vorsicht, Ironie!) der rot-grünen Regierung nach 1998 war, den Spitzensteuersatz auf 42 Prozent zu senken. Seitdem fehlen jedes Jahr ungefähr 10 Milliarden Euro in der Staatskasse. Unter Helmut Kohl lag der Spitzensteuersatz noch bei 53 Prozent und kann also keine wüste Enteignungsidee neidischer Linker gewesen sein, die armen Millionären das Schwarze unter den Fingernägeln missgönnten.

Finanzminister Christian Lindner.

Finanzminister Christian Lindner Foto: Liesa Johannssen/reuters

Kann es sein, dass man in Deutschland Steuern für Wohlhabende nur senken, aber nie erhöhen darf? Egal, wer regiert? Ist das ein unsichtbarer Grundgesetzparagraf? Nicht ganz. Es gab mal eine kurze Zeit, als eine Bundesregierung den Spitzensteuersatz erhöhte. Und die FDP war sogar dabei. In den frühen 70er ­Jahren stieg der Spitzensteuersatz von 53 auf 56 Prozent und die Erbschaftsteuer von 15 auf 35. Es gab zwar auch ein paar kompliziert zu erklärende faktische Steuersenkungen für Reichere. Aber unterm Strich war der Effekt der SPD-FDP-Regierung: Unternehmen und Reiche zahlten mehr Steuern, Arbeit und Konsum wurden weniger besteuert. Inspiriert war das durch eine äußerst fragwürdige Ideologie voller Umverteilungsfuror.

„Freiheit und Recht sind bedroht durch die Tendenz zur Akkumulation von Besitz und Geld, die die Reichen immer reicher werden lässt.“ So stand es 1971 im Grundsatzprogramm der FDP. Wenn das ­Christian Lindner wüsste. Aber da war er noch nicht auf der Welt. Die Einkommensteuer für Gutverdiener zu erhöhen ist vorstellbar und würde auch das Steuerloch des Bundes ordentlich füllen. Also machbar? Durchaus. Wenn wir uns kurz vorstellen, dass die gesamte FDP 2024 von Außerirdischen entführt würde und ideologisch umgepolt zurück auf die Erde käme, stände einer Rückkehr zu den 53 Prozent der Kohl-Ära nichts mehr im Wege.

Was ist mit der Abgeltungsteuer?

Zu den rätselhaften Seiten des deutschen Steuersystems gehört die Abgeltungsteuer. Wer viel Geld hat, es verzinst oder Aktien kauft und damit Gewinne macht, zahlt darauf 25 Prozent Steuern. Wenn er gleichzeitig einen normalen Job hat, zahlt er auf das im Schweiße seines Angesichts erarbeitete Geld mehr als 40 Prozent an Abgaben. Belohnt wird also Faulheit, bestraft Arbeit. Es wäre ein Leichtes, zum alten Modell zurückzukehren und Gewinne aus Aktien und Zinsen steuerlich so zu behandeln wie Einkommen aus Arbeit. Das ginge einfach per Gesetz und würde zwar nicht das Haushaltsloch reparieren, aber dem Staat ein paar Milliarden im Jahr bringen. Reali­sie­rungs­chance: siehe oben. FDP-Außerirdische. Leider.

Was kann Lindner von Konrad Adenauer lernen?

Ein Land, zerstört vom Krieg; zerbombte Städte; Millionen Vertriebene. Die Rede ist nicht von der Ukraine, sondern von Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch wenn die Katastrophen in ihrem Ausmaß nicht vergleichbar sind, gibt es Pa­ral­le­len. Der Wiederaufbau eines Landes und die Versorgung von Menschen, die fliehen mussten, kosten Milliarden.

Die damalige Regierung Adenauer und das CSU-geführte Finanzministerium legten 1949 das Gesetz über den Lastenausgleich vor, das 1952 in Kraft trat. Die revolutionäre Idee: Diejenigen, die ihre Vermögen über den Krieg retten konnten, sollten solidarisch mit jenen sein, die alles verloren hatten. Mit einem Mix aus Vermögensabgabe (50 Prozent, grusel, grusel) und Abgaben auf Hypotheken- und Kreditgewinne kamen über 75 Milliarden D-Mark zusammen, die in einen Ausgleichsfonds flossen, aus dem Vertriebene versorgt und der Wiederaufbau bezahlt wurde. Vom Erfolg profitierten auch jene, die den Ausgleich bezahlt hatten.

Seit 2022 hat die Unterstützung der Ukraine inklusive Bürgergeld für Geflüchtete den deutschen Staat rund 32 Milliarden Euro gekostet. Bezahlt aus den laufenden Haushalten. Die Ukraine-Sonderausgaben könnte man mit einer einmaligen Vermögensabgabe abfedern, einem Ukraine-Soli. Und der schlimmste Spardruck wäre weg.

Doch was einst von der Union als „herausragender Akt der Solidarität“ gefeiert wurde, gilt heute einigen als Horrorszenario. Findige Anwälte raten im Netz schon dazu, Vermögen stets abzusichern. Die Furcht vor einer Maßnahme spricht für ihre Wirksamkeit.

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