Der Stadtratbleibt vage

Nach der Kündigung des Frieda Frauenzentrums will der zuständige CDU-Bezirkspolitiker nicht sagen, worin genau der Antisemitismus bestand. Am Dienstag tagt erneut der Jugendhilfeausschuss

Von Uta Schleiermacher

Der Stadtrat eiert ziemlich ­herum, anstatt seine Entscheidung mit Fakten oder Zitaten zu begründen. Nein, er könne nicht sagen, woran er den Antisemitismus genau festmache, der zu der Kündigung des Jugendhilfeträgers Frieda Frauenzentrum geführt habe, sagt Max Kindler (CDU). Kindler ist in Friedrichshain-Kreuzberg für den Bereich Jugend, Familie und Gesundheit zuständig. „Das ­Verfahren läuft noch, deshalb kann ich mich dazu nicht öffentlich äußern“, betonte er vergangene Woche in einer außerordentlichen Sitzung des Jugend­hilfeausschusses von Friedrichshain-Kreuzberg. „Glauben Sie mir, wir haben unsere Gründe.“

Kindler hatte dem Frieda Frauenzentrum im April außerordentlich gekündigt. Im von Frieda veröffentlichten Kündigungsschreiben hatte er Berichte über die Teilnahme an einer aufgelösten Mahnwache, Instagram-Posts und Likes für antisemitische Posts als Gründe benannt. Die Mädchenzentren Alia und Phantalisa sind seitdem geschlossen. Frieda hat gegen­ die Kündigung geklagt.

Im Bezirk bemüht man sich nun, den Schaden zu begrenzen. Die Mädchenzentren sollten ihre Arbeit möglichst schnell wieder aufnehmen können, sagten mehrere Mitglieder des Jugendhilfeausschusses. Wie genau das aussehen könnte, blieb unklar. Denn eine gerichtliche Entscheidung darüber, ob die Kündigung rechtens war, wird wohl Wochen, wenn nicht Monate dauern. Bis dahin müssten die Zentren nach jetzigem Stand komplett geschlossen bleiben.

„Unsere Arbeit ist Beziehungsarbeit. Wir sind nicht einfach austauschbar“

Frieda Frauenzentrum

Die nächste reguläre Sitzung des Ausschusses findet an diesem Dienstag statt. SPD, Grüne und Linke wollen dort fordern, dass die außerordentliche Kündigung zurückgenommen und neu diskutiert wird. Der Betrieb soll – möglicherweise mit dem gleichen Personal – möglichst schnell wieder aufgenommen werden. Außerdem soll Frieda sich zu den Vorwürfen äußern und möglicherweise auch intern Konsequenzen ziehen.

Doch selbst wenn der Jugendhilfeausschuss sich einigt, ist fraglich, ob das Jugendamt an einen Beschluss des Ausschusses gebunden ist. Kindler selbst glaubt, dass er den Ausschuss nicht beteiligen muss. Grüne, Linke und SPD wiederum meinen, dass Kindler den Ausschuss von Anfang an hätte einbeziehen und anhören müssen. Olja Koterewa von den Grünen kritisiert außerdem, dass Kindler gekündigt hat, ohne vorher mit dem Träger zu sprechen oder andere Lösungen zu suchen. Sie war auch bei der nichtöffentlichen Sitzung, in der Kindler seine Gründe genauer erläutert hatte. „Der Stadtrat konnte uns nicht nachvollziehbar darlegen, dass akute Gefahr bestanden hat“, sagt sie. Die Vorwürfe müssten aber vollständig aufgeklärt werden.

Der Vorstand vom Frieda Frauenzentrum kritisierte, das Jugendamt habe private Konten ausgespäht und Tätigkeiten in der Freizeit von Mit­ar­bei­te­r*in­nen bewertet. Der Stadtrat habe allein aufgrund eines Verdachts agiert. Der Vorstand erklärte auch, dass es nicht darum gehe, einfach die Räume wieder aufzumachen. „Unsere Arbeit ist Beziehungsarbeit, die unsere Mit­ar­bei­te­r*in­nen zu den Mädchen und jungen Frauen direkt aufgebaut haben. Wir sind nicht einfach austauschbar“, sagte ein Vorstandsmitglied.

Posen im Görli: Der CDU-Jugendstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Max Kindler    Foto: Friedrich Bungert/picture alliance

Im Ausschuss sagte Kindler, es bestehe der Verdacht, dass „im Träger eine Struktur ist, die die antisemitische Haltung unterstützt“. Auch er wolle, dass die Treffs möglichst schnell wieder öffnen könnten. „Aber am Ende ist mir ein geschlossener Mädchentreff doch lieber als einer, der möglicherweise von Antisemiten geleitet wird“, sagte er.

Für Dienstag ruft eine Initiative parallel zur Ausschuss­sitzung zu einer Solidaritätskundgebung ab 17 Uhr vor dem Rathaus in der Yorckstraße auf.