kunstraum
: Im Licht der Abbildungen

Blick in Rachel Harrisons Ausstellung „Bird Watching“ mit „The Meteor“ (2023) Foto: Roman März; Courtesy Konrad Fischer Galerie und Rachel Harrison

Am Gallery-Weekend-Samstag steht die New Yorker Künstlerin Rachel Harrison vor der Neuen Nationalgalerie inmitten der Menschenmenge, die zum großen Dinner des Kunstwochenende eingeladen ist. Das Abendrot taucht den Mies-van-der-Rohe-Bau in rotviolettes Licht. Im Gespräch mit Harrison geht es um Gefühlsfarben, einen Begriff, den die Wienerin Martha Jungwirth für ihren malerischen Umgang mit Farbe benutzt; um Steine, die einer Nachricht zufolge, die kürzlich verschiedene internationale Medien publizierten, junge einsame Menschen in Südkorea adoptierten – als weniger Verantwortung verlangenden Ersatz für echte Haustiere; und um Caspar David Friedrich. Harrison hat, wie sie erzählt, ihren Aufenthalt in Berlin, während dem sie ihre Ausstellung in der Galerie Konrad Fischer vorbereitete, auch für einen Besuch der Retrospektive Friedrichs in der Alten Nationalgalerie genutzt.

An all das muss ich denken, als ich ein paar Tage später zu Konrad Fischer gehe, um Harrisons Schau „Bird Watching“ zu besuchen. Es ist die erste Ausstellung der Künstlerin in der Galerie, eine der vielen, die zum Gallery Weekend gestartet sind. Einer merkwürdigen Gestalt begegnet man dort als erstes. Sie reckt den Hals aus einem unförmigen, handbemalten Polystyrol-Fundament, ihre Augen sind hinter den Gläsern eines VR-Headsets verborgen. Von hinten sieht man die Skulptur zunächst, fast wie den Wanderer über dem Nebelmeer, nur dass sie eben nicht in selbiges schaut, während sie den Blicken der Be­su­che­r*in­nen ausgesetzt ist, sondern in eine virtuelle Welt, über deren Ausgestaltung nichts weiter bekannt ist.

Sehen und gesehen werden, ausstellen und ausgestellt werden, darum geht es auch in den anderen Arbeiten, die irgendwo zwischen gestischer Abstraktion und rumpeliger Figuration zu verorten sind. Auf die Kunstgeschichte wie auf profane Alltagskultur verweisen sie, nicht ohne einen Sinn für Komik, für die Absurdität des Lebens im Spätkapitalismus. Da hängt ein T-Shirt von der Decke, fast wie aus einem Museumsshop, auf das Harrison Abbildungen von Giacometti-Skulpturen gedruckt hat, übereinander geschichtete, bunte Köpfe, die in alle Richtungen starren; ein grünes Wesen steckt mit seinem zum Fahrzeug umfunktionierten Judd-Schubfach auf einem Stein fest; eine Fotoserie zeigt flimmernde Bilder einer Übertragung der „Westminster Dog Show 2006“, die von einem Röhrenfernseher abfotografiert wurden. Harrison fragt, wie wir auf Dinge oder besser gesagt auf Abbildungen blicken. Beate Scheder

Rachel Harrison: Bird Watching. Konrad Fischer Galerie, bis 27. Juli, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Neue Grünstr. 12