das portrait
: Drogerie-Baron Erwin Müller ringt mit Adoptivkindern ums Erbe

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Wenn Kinder gegen ihre Eltern vor Gericht ziehen, geht es meist auch um verletzte Gefühle. Bei dem Zivilprozess, der am Montag in Ulm begonnen hat, geht es allem Anschein nach allein ums Geschäft. Erwin Müller, 91, Gründer der gleichnamigen Drogeriemarktkette, soll einem Brüderpaar sowie der Ehefrau des einen die Adoption angeboten haben, nachdem er sie bei einer Jagd kennengelernt und mit ihnen gemeinsam Urlaub gemacht hatte. Einzige Bedingungen: Sie müssten beim Erbe auf ihren Pflichtteil verzichten. Dafür habe ihr neuer Adoptiv-Vater ihnen großzügige Schenkungen in Aussicht gestellt, behaupten sie. „Geld spiele keine Rolle“, soll der Milliardär Müller erklärt haben. Das ist nun zehn Jahre her.

Heute spielt Geld doch eine Rolle. Die Schenkungen seien ausgeblieben, sagen die Adoptierten. Nun fordern sie den Pflichterbteil, es soll um 500 Millionen Euro gehen. Eine solche Zahlung gefährde das Unternehmen, behauptet Müllers Frau Anita, die ihren Mann vor Gericht vertritt. Ein Urteil ist noch nicht gefallen.

Erwin Müller gehört zu einer Generation von Gründern, die von der Aufhebung der Preisbindung für Drogerieartikel in den 70er Jahren profitierten. Wie DM-Gründer Götz Werner, Dirk Rossmann und der inzwischen gescheiterte und verurteilte Anton Schlecker machte der gelernte Friseur mit Drogeriemärkten Millionen. Unter den Großen blieb Müller mit europaweit 35.000 Beschäftigten und 900 Filialen (DM hat über 2000 Filialen) ein Kleiner. Trotzdem belegte er im Jahr 2022 in der Liste der weltweit reichsten Menschen der Welt immerhin Platz 1.341. Sein Vermögen wurde damals auf 2,7 Milliarden Euro geschätzt.

Erste Schlagzeilen machte Müller 1968 im sogenannten Figaro-Streit von Ulm, als sich der junge Unternehmer gegen die starren Regeln seiner Friseurzunft wehrte und seine Salons auch montags öffnete. 1973 eröffnete er nach amerikanischem Vorbild fast zeitgleich mit der Konkurrenz von DM seinen ersten Drogeriemarkt in Ulm. Müller ist in seinem Konzern seit jeher Alleinherrscher – mit gelegentlich robusten Methoden. Vor der Firmenzentrale lässt er für seine Mitarbeiter mal eben für 26.000 Euro eine Fußgängerampel aufstellen, weil die Stadt ihm dafür zu lange braucht, verschenkt Schokolade und Geld an die Belegschaft. Die Gründung von Betriebsräten versucht er jedoch zu verhindern.

Müller blieb über all die Jahre in der Öffentlichkeit fast ein Phantom. Er gibt selten Interviews und ist kaum in der Öffentlichkeit zu sehen ist. Die wenigen Fotos, die es von ihm gibt, zeigen einen alten Herren mit Glatze und buschigen Augenbrauen. Stets ist er braun gebrannt im Anzug und trägt farbenfrohe Krawatten. Er pflegt anders als seine Konkurrenten einen glamourösen Lebensstil. Müller war deutscher Meister im Segelfliegen, besaß Golfclubs, Yachten und eine Straußenfarm.

Für einen, dem alles zu gelingen scheint, hat der Patriarch ein bemerkenswert schlechtes Händchen für die Nachfolgeregelung. Sie misslingt seit Jahrzehnten. Mit 65 werde er aufhören, hatte er angekündigt. Das wäre 1997 gewesen. Seitdem verließen immer wieder potenzielle Nachfolger und Weggefährten aus der Führungsriege den Konzern oder wurden von Müller entlassen. Sein Sohn Reinhard, heute über 60, verließ 2006 das Unternehmen im Streit. Die Nachfolgefrage ist nach Darstellung der Kläger auch der Hintergrund für den Erbschaftsstreit. Müller habe sie nur adoptiert, um seinen leiblichen Sohn von der Nachfolge fernzuhalten. Sie fühlten sich von Müller ausgenutzt. Letztlich ging es also doch wieder um Gefühle Benno Stieber, Karlsruhe