Susanne Fischer
: Auferstehung einer Anschlussreisenden

Der Mai ist gekommen und segnet uns Arbeitnehmer mit der höchsten Freundlichkeit nach Dezember, nämlich mit drei zusätzlichen Feiertagen. So viel Zeit brauchte Jesus in etwa bis zur Auferstehung, aber die Tage, an denen sich der heilige Mann sortiert hat, folgten unmittelbar aufeinander, während der Tag der Arbeit, Himmelfahrt und Pfingstmontag das auch in diesem Jahr wieder nicht hinkriegen.

Also bleibt meine eigene Auferstehung fraglich. Allerdings bin ich noch nicht tot, sondern nur etwas geschwächt. Wenn das Karma so herumschaut, wer noch Reserven hat und wen man deshalb mit kleinen Widrigkeiten belästigen kann, steht diese Fischer gern in der ersten Reihe.

Über die Bahn wollte ich eigentlich nie wieder schreiben, aber neulich musste ich auf einen verspäteten Fernzug geschlagene 80 Minuten warten. Die Ursache dafür, die die Bahn angab, lautete zunächst „Signalstörung“.

Wie alle Menschen, die auf Züge warten, schaue ich pausenlos im Handy nach, ob er nicht doch bittebitte ein bisschen eher kommen könnte, obwohl ich genau weiß, dass die Verspätung immer nur wächst, quasi ein Naturgesetz. So bekam ich kurz darauf mit, dass sich zwar die Verspätung nicht geändert hatte, aber die Ursache: Nunmehr war es das löbliche „Warten auf Anschlussreisende“, mit dem die Bahn rasch ein paar Sympathiepunkte abgreifen wollte. Wenige Minuten später hieß es dann plötzlich „Gegenstände im Gleis“.

Tja, die Bahn hat auch Humor. Oder war das vielleicht der ICE Jesus, auf den ich hier wartete, der alles Leid der Welt tragen soll? Am Ende musste er schließlich auch mich von Wolfsburg nach Berlin transportieren. Übrigens ohne meine Krankenkassenkarte, die der Zahnarzt einbehalten hatte, ehe er am nächsten Tag unangekündigt seine Praxis für immer schloss. Angeblich sollte mir die Karte umgehend mit der Post zugehen, aber sie wartet derzeit noch auf Anschlussreisende. Seit vierzehn Tagen.

Bisher gehörte ich allerdings immer zu jenen Umsteigenden, denen der Anschlusszug seine Schlusslichter zeigt, sodass ich mich frage, ob das Ganze nicht sowieso ein arger Schwindel ist. Neulich begrüßte mich die Bahn-App höhnisch in genau dem Zug, der gerade ohne sämtliche Anschlussreisende abgerauscht war. Die Bahn kreierte also im Internet ein Paralleluniversum, in dem wir beinahe pünktlich in Leipzig ankamen, während wir in Wahrheit die ganze Zeit frierend in Erfurt herumstanden. Jesus habe ich dort nicht getroffen; ich glaube, er wird woanders noch nötiger gebraucht.

Also: Die böse Welt traktiert meine perfekte Person pausenlos mit Niederträchtigkeiten. Was? Was soll das heißen, wer hat neulich die Theaterkarten zu Hause vergessen und damit fast den Abend versaut? Die haben sich doch nur verspätet, wegen anderer Gegenstände im Gehirn. Na gut, Bahn und Welt, wir sind für diesen Monat quitt.