Dem Wahljahr drohen rechte Allianzen

Die Jahresanalyse „Sachsen rechts unten“ des Kulturbüros Sachsen registriert aktive rechte Gruppen

Aus Dresden Michael Bartsch

Die Vorstellung des jährlichen Berichts „Sachsen rechts unten“ aus dem Kulturbüro Sachsen fällt zufällig mit der Eskalation der Gewalt gegen Politiker insbesondere in Dresden zusammen. Am Dienstag bestätigte das Landeskriminalamt, dass der vermutliche Haupttäter des Angriffs gegen den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke rechten Kreisen zuzuordnen ist. Der 17-jährige Quentin J. soll der Gruppe „Elb­landrevolte“ angehören, einer seit Jahresbeginn neu belebten Neonazi-Gruppe aus Dresden aus dem Umfeld der früheren NPD-Jugend, die laut Antifa-Recherchen zehn Kernmitglieder umfasst.

Und Vernetzungen und Beeinflussungen rechter Szenen sind gleich das erste Thema von „Sachsen rechts unten“. Geschäftsführer Michael Nattke hat vor allem die verdeckten Allianzen zwischen AfD, den „Freien Sachsen“, Spontangruppen und der „Heimat“, der früheren NPD, genauer betrachtet. Letztere sei „komplett wieder da“, meist unter dem Dach der „Freien Sachsen“, deren Vizevorsitzender Stefan Hartung NPD-Funktionär im Erzgebirge war.

„Es geht überhaupt nicht darum, wer hier irgendwo in welcher Partei ist, es geht darum, …ob ihr die Liebe zum Vaterland habt“, wird die AfD-Bundestagsabgeordnete Carolin Bachmann aus Freiberg zitiert. Gesprochen im Januar dieses Jahres auf einer Demonstration der „Freien Sachsen“ in Dresden. Die vom fanatischen Chemnitzer Anwalt Martin Kohlmann geführte Partei aus dem Erzgebirge hat zwar nur knapp tausend Mitglieder, entfaltet aber eine enorme Vernetzungs- und Organisationswirkung.

Solche an gemeinsamen Veranstaltungen ablesbaren Allianzen hält Michael Nattke für neu und gefährlich. Die Freien Sachsen schließen nämlich Mehrfachmitgliedschaften nicht aus, folgen eher dem Motto „getrennt marschieren, vereint schlagen“. Nur scheinbar konkurrieren sie mit der AfD. Die Wahlergebnisse beider Parteien addieren sich vielmehr. Bei der Landratswahl 2022 stellten die Freien Sachsen im Erzgebirge, der Sächsischen Schweiz und in Nordsachsen Kandidaten auf, die niemand kannte, erreichten aber auf Anhieb zweistellige Ergebnisse.

Nach Einschätzung Nattkes lassen sich Wähler auch nicht mehr durch die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem abschrecken, wie die Umfragen zeigen. Einschüchterung, ja Terror insbesondere gegen Kommunalpolitiker würden in der Bevölkerung immer mehr hingenommen. Mit Blick auf die bevorstehenden Kommunal- und Landtagswahlen bescheinigt die Analyse des Kulturbüros den Freien Sachsen eine besondere Anschlussfähigkeit an sogenannte Bürgerinitiativen. Obschon noch nicht klar ist, ob sie am 1. September antreten, träumt ihr Vorsitzender Martin Kohlmann schon von einer Koalition aus AfD, Freien Sachsen und Werteunion. Die AfD gewinne mit absehbar mehr als einem Viertel der Wählerstimmen erstmals eine reale Machtoption, so Nattke. Auch wenn ihr Zugriff verhindert werden könne, werde der Druck auf bedrohte Gruppen wie Geflüchtete, liberale Politiker, queere Personen, „Dekadente“ oder freie Künstler noch jahrelang anhalten.