Luise Greve war am Tag der Befreiung in Pankow unterwegs
: Nazifreies Gedenken bleibt mühsame Handarbeit

Eine kleine Gruppe steht vor dem Sowjetischen Ehrenmal in Pankower Ortsteil Buch. Am 79. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus gedenken am Mittwoch nur wenige Menschen in der Wiltbergstraße nahe des Bahnhofs der Befreier:innen. Aber immer wieder kommen Leute dazu, holen Blumen aus ihren Fahrradkörben, stellen Kerzen auf, bleiben kurz stehen. Einige von ihnen sprechen Russisch.

Organisiert wird die Gedenkveranstaltung wie jedes Jahr von der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN BdA). Auch die Pankower Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne) ist vorbeigekommen. Es sei wichtig, an diesem Ort Präsenz zu zeigen, erzählt ein VVN-Mitglied, denn das sowjetische Ehrenmal sei schon öfter beschädigt worden, vermutlich von Rechtsextremen aus dem NPD-Umfeld und meist um den Tag der Befreiung herum. Im Norden Pankows gibt es seit den 90er Jahren viele rechtsextreme Strukturen und Angriffe.

Nach dem Gedenken in Buch geht es für einige der Teil­neh­me­r:in­nen nach Blankenburg, zwei S-Bahn-Stationen weiter. Dort organisiert die AfD ein Event zur Europawahl: Der „Bürgerdialog“ der AfD-Kandidaten Alexander Sell und Mary Khan-Hohloch findet in einem Bierzelt auf einer Freifläche vor einem Sanitärgeschäft statt. Zusammen mit anderen Gruppen wie der antifaschistische Jugendgruppe „La Rage – Berlin Ost“ hat die Antifa Nordost zur Gegendemonstration aufgerufen. Wie das Gedenken in Buch ist auch diese Demo ein Teil der „8. Mai – Nazifrei“-Veranstaltungen.

Angekommen in Blankenburg ist zunächst alles ruhig. Der S-Bahnhof wirkt verschlafen, an der Scheibe vor dem Bäcker steht in gelber, vergilbter Schrift: „Jeden Tag ofenfrische Schrippen“. Doch direkt vor der Bahnhofshalle ist es vorbei mit der Schläfrigkeit, ein AfD-Plakat mit dem Aufruf zum Bürgerdialog fällt sofort ins Auge, erstaunlich niedrig hängt es. Die Polizei ist schon da, mit großem Aufgebot.

Gut 70 Leute machen sich mit knallrotem „8. Mai – Nazifrei“-Banner vom Bahnhof Richtung AfD-Veranstaltung auf. Die Stimmung ist gut, die Demogesänge sitzen. „Alerta, Alerta, Antifascista“ hallt es unter der Brücke. Neben den antifaschistischen Jugendgruppen läuft ein älterer Herr mit Sonnenbrille und weißem Fahrrad. Er war schon in Ahrensfelde beim Sowjetischen Ehrenmal, erzählt er. „Einfach als Mensch“, sagt er, um der Befreier zu gedenken. „Die ehre ick!“

Vor dem Bierzelt der AfD trifft der Demozug auf die Omas gegen Rechts. Gemeinsam rufen sie „Ganz Berlin hasst die AfD“, in den Reden geht um Klimaschutz, Rechtsextremismus und die anwesenden AfD-Politiker. Die verschanzen sich in ihrem blauen Bierzelt. Zwischendurch kommen Teilnehmer des „Bürgerdialogs“ raus und grinsen die De­mons­tran­t:in­nen an, auch Sell riskiert einen Blick.

Gegen halb 8 fährt ein Audi vor. „Das ist Beatrix von Storchs Karre, das erkenn ich sofort“, ruft jemand. Unter Buhrufen betritt sie das Gelände. Dann ist die Demo vorbei. Auf dem Rückweg werden die De­mons­tran­t:in­nen nochmal von Anwohnern beäugt. „Verpisst euch!“, ruft eine Passantin.